Der Fünfte Elefant
wurde.«
»Ich dachte, es sei verboten…«, begann Mumm.
»Gestern habe ich angeordnet, die alten Silberminen wieder zu
öffnen«, sagte der König freundlich. »Es schien mir ein günstiger
Zeitpunkt zu sein. Bald können wir entsprechendes Erz verkaufen,
und ich wäre sehr dankbar, wenn Lady Sybil darauf verzichten
würde, an Verhandlungen über den Preis teilzunehmen – ich
fürchte, sie könnte unseren Bankrott herbeiführen«, fügte der Kö-
nig hinzu. »Wie ich sehe, beehrt uns Fräulein Kleinpo heute nicht
mit modischen Extravaganzen.«
Grinsi starrte wortlos.
»Du trägst kein Kleid«, erklärte der König.
»Nein, Majestät.«
»Al erdings bemerke ich Anzeichen der zurückhaltenden Ver-
wendung von Wimperntusche und Lidschatten.«
»Ja, Majestät«, quiekte Grinsi und erweckte den Eindruck, allein
durch den Schock sterben zu können.
»Das ist nett. Bitte vergiss nicht, mir die Namen und Adresse
deiner Schneiderin mitzuteilen«, fuhr der König fort. »Es könnte
bald Arbeit für sie geben. Ich habe lange und gründlich nachge-
dacht…«
Mumm blinzelte. Grinsi war erblasst. Hatte sonst jemand die
letzten Worte vernommen? Hatte er selbst richtig gehört?
Sybil gab ihm einen Stoß in die Rippen. »Dein Mund steht offen,
Sam«, flüsterte sie.
Er hatte also richtig gehört…
Erneut erklang die Stimme des Königs. »… und ein Beutel mit
Gold ist in jedem Fall akzeptabel.«
Grinsi starrte noch immer.
Mumm schüttelte sie vorsichtig an der Schulter.
»D-danke, Majestät.«
Der König streckte die Hand aus. Mumm rüttelte Grinsi noch
einmal, daraufhin hob sie ebenfal s wie hypnotisiert die Hand. Der
König ergriff sie.
Schockiertes Flüstern breitete sich hinter Mumm aus. Der König
hatte die Hand eines Zwerges geschüttelt, der sich ganz offen als
Frau zu erkennen gab…
»Und damit bleibt noch… Detritus«, sagte der König. »Ich weiß
nicht recht, was ein Zwerg einem Troll geben könnte – viel eicht
das, was auch ein Zwerg von mir bekommen würde. Du erhältst
also einen Beutel Gold. Hoffentlich kannst du etwas damit anfan-
gen. Und…«
Er stand auf und streckte die Hand aus.
In den fernen Regionen von Überwald kämpften Zwerge und
Trolle noch immer gegeneinander. In den übrigen Gebieten
herrschte jene Art von Frieden, die sich ergibt, wenn beide Seiten
mit Aufrüsten beschäftigt sind.
Das Flüstern verstummte. Stille dehnte sich aus, bis in alle Win-
kel der riesigen Höhle.
Detritus blinzelte. Dann griff er ganz vorsichtig nach der Hand
und versuchte, sie nicht zu zerquetschen.
Das Flüstern erhob sich erneut. Und diesmal, so wusste Mumm,
würde es sich viele Meilen weit fortsetzen.
Indem er zwei Hände schüttelte, bewirkte dieser alte Zwerg mit
dem weißen Bart mehr, als ein Dutzend gut geplanter Verschwö-
rungen jemals erreichen konnten. Kleine Wel en gingen von dieser
Höhle aus, breiteten sich in ganz Überwald aus und schwollen
dabei immer mehr an, bis sie schließlich zu einer regelrechten Flut
wurden. Dreißig Männer und ein Hund waren nichts dagegen.
»Hmmm?«
»Ich habe gefragt, was ein König einem Mumm geben könnte«,
sagte der König.
»Äh, nichts, glaube ich«, erwiderte Mumm geistesabwesend.
Zwei geschüttelte Hände! In al er Ruhe, begleitet von einem sanf-
ten Lächeln, hatte der König die alten Bräuche der Zwerge auf den
Kopf gestel t – so sanft, dass man noch jahrelang darüber reden
würde…
»Sam!«, schnappte Sybil.
»Nun, dann möchte ich dir etwas für deine Nachkommen ge-
ben«, sagte der König weiterhin völlig gelassen. Man brachte ihm
eine lange, flache Schachtel. Als er sie öffnete, kam eine Zwerge-
naxt zum Vorschein – neues Metal glänzte auf schwarzem Samt.
»Im Lauf der Zeit wird dies zur Axt eines Großvaters«, sagte der
König. »Wenn genügend Jahre verstrichen sind, braucht sie sicher
einen neuen Stiel und eine neue Klinge. Nach einigen Jahrhunder-
ten verändert sich vielleicht die Form, um neuen ästhetischen Vor-
stel ungen zu genügen. Trotzdem bleibt sie in jeder Hinsicht und
in jedem einzelnen Detail die Axt, die ich dir heute gebe. Und weil
sie sich im Laufe der Zeit ändern wird, bleibt die Klinge immer
scharf. Ein Körnchen Wahrheit steckt in ihr. Freut mich sehr, dich
kennen gelernt zu haben. Ich wünsche dir eine angenehme Heim-
reise, Euer Exzellenz.«
Sie schwiegen in der Kutsche, die sie zur Botschaft zurückbrachte.
Schließlich sagte Grinsi: »Der
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