Der fünfte Mörder
dünner.
»Diese Männer schweben in Lebensgefahr, sagen Sie?«, fragte er, als ich das Handy ans Ohr nahm.
Ich lieà es wieder sinken. Von Balke meinte ich, ein leises Knurren zu hören.
»Lassen Sie mich die Bilder bitte noch einmal sehen«, sagte Akimov.
»Mit wem hat er telefoniert, was denken Sie?«, fragte Balke, als wir mit Blaulicht und Signalhorn unterwegs waren in den Norden Mannheims. »Mit unserer Freundin in Schriesheim?«
»Darum können wir uns kümmern, wenn diese Geschichte vorbei ist.«
Nach unserem Gespräch hatte Akimov uns einige Minuten vor seiner geschlossenen Haustür warten lassen. Von innen hatten wir seine herrische Stimme gehört, jedoch keine Antworten. Er hatte mehrere Telefonate führen müssen, und als er die Tür schlieÃlich wieder öffnete, hielt er einen karierten Zettel in der Hand.
»Ich habe leider nur Namen und Anschrift von einem der Männer herausfinden können«, hatte er erklärt. »Ich hoffe, Sie haben Erfolg.«
Letzteres hatte sogar ehrlich geklungen.
Der mit königsblauer Tinte geschriebene Name lautete Vladimir Orlov. Er wohnte in der LilienthalstraÃe in Mannheim-Schönau. Das Navi wies uns den Weg.
Wir überquerten den Neckar. Balke fluchte, weil ein altes Ehepaar, des Lebens offenbar überdrüssig, bei Rot die stark befahrene StraÃe überquerte. Er bremste scharf, schlug einen Haken, dann waren wir vorbei und das Ehepaar noch am Leben. Wir folgten einer scheinbar endlos langen StraÃe, die immer weiter aus der Stadt hinausführte. Balke überholte einen weià lackierten amerikanischen Schulbus.
Zehn Minuten später hielten wir vor einem hässlichen Beinahehochhaus in der LilienthalstraÃe, Balke schaltete Signalhorn und Motor aus. Es gab hier drei fast identische Häuser, deren Balkonbrüstungen allerdings in verschiedenen Farben gestrichen waren. Das Gebäude, das wir suchten, war das mittlere.
Wir mussten ein Stück den Gehweg entlanglaufen, überholten einen alten Mann, der mit seinem Rollator unterwegs zum Einkaufen war. Eine Frau mit blau-grünem Kopftuch und langem dunklen Mantel stieg in einen verbeulten silberfarbenen Golf. Das Klingelschild mit der Aufschrift »Orlov« war in der obersten Reihe. Ich drückte den Knopf, keine Reaktion. Balke stieà Luft durch die Nase, ich drückte noch einmal. Wieder geschah nichts.
»Ausgeflogen?«, zischte er.
»Hoffen wirâs«, sagte ich. »Sehen wir lieber nach.«
Die Glastür des Hauses stand zum Glück offen.
Der Fahrstuhl kam auch nach längerem Warten nicht, so nahmen wir die schmutzige Treppe. An den betongrauen Wänden Graffiti. Sogar mein fünfzehn Jahre jüngerer Untergebener war auÃer Atem, als wir das siebte Stockwerk erreichten. An allen Türen klebten mehr oder weniger originelle Namensschilder. Nur an einer nicht. Dieses Mal drückte Balke den Klingelknopf. Innen schepperte ein misstönender Gong. Er klopfte. Er klopfte mit der Faust. Ich versuchte es inzwischen an der gegenüberliegenden Tür. Diese öffnete sich nach wenigen Augenblicken, und eine feiste Frau undefinierbaren Alters starrte mich durch dicke Brillengläser traurig an.
An der Tür klebte ein Schild mit der Aufschrift »Dr. Tanja Fröhlich«.
»Wir möchten zu Herrn Orlov.« Ich lieà sie meinen Ausweis sehen. »Wissen Sie, ob er zu Hause ist?«
»Wir sind von der Polizei«, fügte Balke hinzu, als die Frau nur verständnislos von einem zum anderen sah. Aus den Tiefen ihrer Wohnung drangen Jasminteeduft und Musik. Joan Baez, »I dreamed I saw Joe Hill last night, alive as you or me«.
»Der sollte eigentlich daheim sein«, meinte die Frau endlich. »Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass er heute schon ausgegangen wäre.«
Balke schnüffelte und verzog das Gesicht. Auch ich hatte es inzwischen gerochen: Es stank. Ob aus Orlovs Wohnung oder einer anderen, war nicht auszumachen.
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«, fragte ich die verschreckte Nachbarin.
Ratlos hob sie die wulstigen Schultern. »Jetzt, wo Sie fragen ⦠eigentlich schon länger nicht mehr. Seine ⦠Partnerin auch nicht. Vielleicht sind die beiden in Urlaub?«
»Da!« Balke deutete auf den Spion in Orlovs Tür. Beziehungsweise auf das Loch, in welchem der Spion sich einmal befunden hatte.
»Hat jemand im Haus
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