Der fünfte Mörder
werden, Jugendliche schlichen gebückt zum Büfett und bedienten sich schon mal, was zu weiteren Ohrfeigen führte. Balke spulte wieder ein Stück vor. Jetzt stand die Kamera auf einem Stativ neben der Eingangstür. Vor den Fenstern war es Nacht geworden. Der Raum bebte von Gelächter, Gejohle und guter Laune. Immer öfter verschwanden Menschen links an der Kamera vorbei, dann quietschte jedes Mal eine Schwingtür, Minuten später kamen sie erleichtert zurück.
»Da!« Balke deutete auf den Monitor. »Schivkov.«
Anton Schivkov, der Schnurrbart kürzer, das Haar noch kaum ergraut, schlingerte gemessenen Schrittes in Richtung Ausgang. Ständig musste er stehen bleiben, jemandem auf die Schulter schlagen oder eine Frau auf beide Wangen küssen. SchlieÃlich verschwand er aus dem Blickfeld der Kamera.
Die Schwingtür quietschte.
»Wir haben nicht mal mehr fünf Minuten.« Balkes Stimme war heiser vor Aufregung.
Inzwischen war es ruhiger geworden. Die ersten Gäste waren am Tisch eingeschlafen, viele der Kinder. Im Hintergrund versuchte ein breitschultriger Kerl, eine schmale, ausnahmsweise blonde Frau mit rustikalen Mitteln zu Zärtlichkeiten zu überreden, und erntete einen Boxhieb in den Bauch. Schivkov war immer noch nicht zurück. Ein zweiter der Bauernlümmel sprang unvermittelt auf, torkelte in Richtung Tür, schaffte es jedoch nicht mehr und erbrach sich neben dem längst verwüsteten Büfett. In dem Moment, als er sich mühsam aufrichtete und mit der flachen Hand den Mund abwischte, kamen sie.
Eine Tür knallte, die Schwingtür quietschte, Köpfe fuhren hoch, drei, vier, fünf Männer stürzten ins Bild, die Gesichter hinter Strumpfmasken verborgen, eröffneten sofort das Feuer. Es dauerte nur Sekunden, dann waren die ersten Magazine leer. Die Mörder luden nach und durchstreiften ohne Eile den Raum, gaben hie und da noch Schüsse ab oder kurze Salven, wenn sie Ãberlebende entdeckten. Nur die Kinder verschonten sie. Die hatten sich zum Teil in den Ecken zusammengedrängt, andere blieben unter den Tischen, waren vielleicht nicht einmal aufgewacht. SchlieÃlich machten die Mörder kehrt, sahen immer wieder sichernd in die Runde. Aber nichts regte sich mehr. Falls von den Erwachsenen noch jemand am Leben war, dann war er klug genug, es zu verbergen. Die Russen rissen sich die Strümpfe von den Köpfen, lachten, riefen sich mit kehligen Stimmen Bemerkungen zu, hieben sich im Gehen gegenseitig auf die Schultern.
»Der da, das ist doch Wasserleiche Nummer eins!«, murmelte Balke.
Auch ich hatte ihn erkannt. »Den Vorletzten, den Rotblonden, haben wir in Schriesheim gesehen.«
»Voronin ist nicht dabei«, stellte Vangelis fest. »Aber der Mittlere, könnte das die zweite Wasserleiche sein? Sehen Sie die krumme Nase?«
»Vielleicht hat Voronin im Auto gewartet?« Balke kratzte sich am Kopf.
Schivkov war immer noch nicht zurück.
Die Russen hatten keine Eile. Sie blieben sogar stehen, um sich Zigaretten anzuzünden, die der Anführer verteilte. Dann gingen sie rauchend weiter in Richtung Ausgang. Nur der Letzte in der Reihe, der Fünfte, schien ein Problem mit der Situation zu haben. Er lachte nicht mit, war blass und hielt den Blick gesenkt.
Sie waren schon fast aus dem Bild, als der Rotblonde die Kamera entdeckte. Er stutzte, stoppte seine Kumpanen mit einem Warnruf. Dann kam er auf die Kamera zu, wurde gröÃer und gröÃer. SchlieÃlich wackelte das Bild, für Sekundenbruchteile war die Decke zu sehen, einer der abscheulichen Kronleuchter, und das Letzte, was der Monitor zeigte, war ein schwerer Schuh, dessen grobe Sohle rasend schnell gröÃer wurde.
»Der Typ hatte zum Glück keine Ahnung, wie ein Camcorder funktioniert«, sagte Balke, als das Bild schwarz wurde. »Er hat geglaubt, er löscht den Film, indem er das Ding zu Klump tritt.«
»Schivkov kommt zurück in den Saal.« Vangelis lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Natürlich hat er die Schüsse gehört und sich irgendwo versteckt. Er findet seine niedergemetzelte Familie. Und irgendwann findet er auch die zerstörte Kamera. Er ist aber schlau genug, sie nicht wegzuschmeiÃen.«
»Slavko schafft es irgendwie, die Gesichter der Russen aus dem Video heraus zu vergröÃern â¦Â«, spann ich den Faden weiter.
»Was nicht wirklich ein Problem ist«, meinte
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