Der fünfte Mörder
Bulgare lachend wieder aus dem Haus gekommen und hatte dem Wartenden seine Mütze zurückgegeben, den versprochenen Zwanziger in die Hand gedrückt sowie das Geld für die Pizza.
Auch das Geschoss, das hinter Orlov in einen Türpfosten eingedrungen war, war schon sichergestellt. Wieder war das Kaliber neun Millimeter. Dasselbe wie in Voronins Audi, dasselbe wie bei den beiden Russen aus dem Neckar.
Die Suche nach zwei letzten und möglicherweise noch lebenden Todesschützen zog sich bis in den Mittwochabend hin und blieb erfolglos. Um kurz vor acht erschien Balke mit geröteten Augen bei mir, lieà sich auf einen der Stühle jenseits meines Schreibtischs fallen und schob ein Papier über den Tisch.
»Das hier ist der Rest. Alle anderen können wir vergessen, weil das Geschlecht nicht passt oder das Alter oder sonst irgendwas. War ein ätzender Job, kann ich Ihnen sagen.«
Zwölf Namen zählte ich auf Balkes Liste. Drei wohnten im näheren Umkreis von Heidelberg. Fünf weitere immerhin im Südwesten Deutschlands, die restlichen vier verteilten sich über das ganze Bundesgebiet.
»Und jetzt?«, fragte Balke wieder einmal und sah demonstrativ auf die Uhr.
»Jeder dieser Männer kriegt heute Abend noch Besuch. Runkel kann das organisieren, weisen Sie ihn gründlich ein. AnschlieÃend können Sie nach Hause gehen. Und falls einer von diesen beiden dabei ist«, ich tippte auf die Fotos ohne Kreuz, »dann wird er umgehend festgenommen. Die Männer stehen unter Mordverdacht.«
Einer der beiden war ein fast noch jugendlich wirkender Mann, der sich nach der SchieÃerei betont cool gegeben hatte. Der andere war etwas älter, ich schätzte ihn auf Mitte dreiÃig. Er war der Letzte in der Reihe gewesen und hatte an der allgemeinen Heiterkeit keinen Anteil genommen. Offensichtlich hatte er keinen Spaà dabei gehabt, mit einer MP in eine Menge fröhlich feiernder Menschen zu schieÃen.
»Okidoki.« Balke erhob und streckte sich, dass die Gelenke knackten. »Ich sage Rübe Bescheid. Falls was ist â wie erreicht er Sie?«
»Mein Handy bleibt die ganze Nacht an.«
Im Treppenhaus traf ich Klara Vangelis in Begleitung ihres Angetrauten. Wir kannten uns von der Hochzeit im Januar, schüttelten freundlich Hände.
»Wie warâs auf See?«, fragte ich. »Hatten Sie guten Wind?«
Bernd Schurich â man hatte die Nachnamen bei der Hochzeit beibehalten â lachte breit. Ich bildete mir ein, den Wind zu spüren und die See zu riechen, wenn ich in sein von Sonne und Wetter gerötetes Gesicht sah.
»Wind gut, Wellen gut, Bier gut«, erwiderte er und entblöÃte zwei Reihen kräftiger und fernsehweiÃer Zähne. »Aber jetzt ist es auch schön, meine liebe Klara wieder bei mir zu haben.«
Schurich war Zahnarzt, wusste ich, mit eigener Praxis, die er von seinem Vater übernommen hatte. Nie hatte ich Vangelis so lächeln gesehen wie in dieser Sekunde. Meine sonst so taffe, klein gewachsene Erste Kriminalhauptkommissarin klebte geradezu an ihrem hoch aufgeschossenen Göttergatten.
»Die Geschichte mit Ihrer Waschmaschine fanden wir übrigens alle zum Quieken«, erzählte Schurich gut gelaunt. »Zweifache Ãberschwemmung, sozusagen. Muss man erst mal hinkriegen, nicht wahr.«
»Na ja«, erwiderte ich. »Ich fandâs leider nicht so lustig.«
Sein Strahlen erlosch, als er begriff, dass sein Spaà nicht gut angekommen war. Er drückte Vangelis kraftvoll an sich, und ich wartete darauf, dass sie zu schnurren begann.
»Wir haben natürlich jeden Abend lange telefoniert, meine Schöne und ich«, erklärte er entschuldigend. »Und da hat sie es mir nebenbei erzählt.«
Wir verabschiedeten uns, und im Umdrehen fiel mir etwas ein.
»Wer war denn mit Ihnen auf Ihrem Schiff?«
»Ist nicht mein Schiff«, erwiderte er, nun wieder lachend. »Wir sind eine alte Clique. Haben alle mal in Heidelberg studiert und uns damals beim A-Schein-Kurs auf dem Neckar kennengelernt. Und seither, das geht jetzt schon zehn Jahre, sind wir jedes Jahr eine Woche zusammen segeln. Die Yacht gehört Bertram. Er gönnt sich sonst nichts, nicht mal ein Auto, aber die Yacht, die muss sein. Bertram ist studierter Volkswirt und irgendwas Wichtiges im Innenministerium in Stuttgart, fragen Sie mich nicht â¦Â«
Vangelis riss die Augen auf und schlug die Hand
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