Der fünfte Mörder
hat er sich in Bodybuilderkreisen herumgetrieben. Eine Weile hat er geboxt, aber meistens nur Prügel eingesteckt. Erst seit sein Onkel das Bella Napoli aufgemacht hat, wirft er mit Geld um sich.«
»Ich würde zu gerne wissen, wie Schivkov in Bulgarien zu so viel Geld gekommen ist.«
»Anfrage an die deutsche Botschaft in Sofia ist raus. Aber die haben momentan natürlich auch Wochenende.« Vangelis drehte an ihrem immer noch ungewohnten, golden blitzenden Ehering herum.
Mein Handy. Schon wieder Sarah. Dieses Mal atmete ich tief durch, bevor ich den grünen Knopf drückte.
»Und, was habt ihr Schönes gegessen?«, fragte ich leutselig.
»Nudeln«, lautete die mürrische Antwort.
»Nudeln und?«
»Maggi.«
»Nudeln mit Maggi?«
»Schmeckt echt super! Was ich fragen wollte: Du hast versprochen, unsere Jeans zu waschen. Die schwarzen. Wir brauchen die ganz, ganz dringend!«
»Habe ich leider nicht geschafft. Du weiÃt ja â¦Â«
»Deine Bombe, klar. Und was sollen wir jetzt anziehen?«
»Ihr habt noch andere Jeans.«
»Wir brauchen aber die schwarzen.«
»Wofür eigentlich?«
»Loui und ich wollten heute Abend noch ein bisschen weg.«
»Schön, dass ich das auch erfahre. Wohin, wenn man fragen darf?«
»Gucken, was so geht.«
»Ihr solltet vielleicht besser daheim bleiben und für die Schule lernen, bei euren Noten.«
»Manno!«
Erst vorgestern hatten sie mir eine katastrophale Mathearbeit zur Unterschrift vorgelegt. Dass Sprachen nicht ihre Stärke waren, damit hatte ich mich mit der Zeit abgefunden. Aber inzwischen gab es überhaupt kein Fach mehr, in dem sie noch akzeptable Noten schrieben.
»Warum wascht ihr eure Hosen eigentlich nicht selbst, wenn es angeblich so wichtig ist?«
»Haben wir noch nie gemacht.«
»Dann lernt ihr es jetzt.« Ich warf Vangelis einen Mitgefühl heischenden Blick zu. »Es geht ganz einfach: Man zieht seine schmutzigen Sachen an, nimmt den Mund voll Waschpulver und klettert in die Maschine â¦Â«
»Ãhm â wie jetzt?«
»Nach dem Schleudern steigt man in den Trockner, zieht von innen die Tür zu ⦠Herrgott! Ihr wisst doch, was eine Waschmaschine ist!«
»Wir haben sie aber noch nie benutzt. Keine Ahnung, was man da einstellen und drücken muss und so.«
»Hast du was zu schreiben?«
Schritt für Schritt diktierte ich ihr, wie sie vorzugehen hatte.
»Und nicht vergessen: Vorher unbedingt noch mal in alle Taschen greifen, ob sie wirklich leer sind. Und â das ist auch sehr wichtig â in letzter Zeit spinnt die Maschine manchmal und lässt zu viel Wasser ein. In diesem Fall hilft es, sie noch mal aus- und wieder einzuschalten. Dann pumpt sie das überflüssige Wasser wieder raus und läuft ganz normal.«
»Das ist aber schlecht für die Umwelt«, wurde ich aufgeklärt. »Wasser ist eine unserer wichtigsten Ressourcen.«
»Eine neue Waschmaschine ist auch schlecht für die Umwelt«, versetzte ich und beendete das Gespräch, bevor ich wieder laut wurde.
Vangelis schmunzelte nachsichtig.
»Da kommt der alte Onkel aus Bulgarien«, nahm ich den Faden wieder auf, »sieht aus, als wäre er sein Leben lang Bauer gewesen, und bringt so viel Geld mit, dass er aus dem Nichts ein Mietshaus in Neuenheim kaufen, ein Restaurant eröffnen, einen Bungalow anmieten und sich zwei dicke Autos leisten kann.«
Vangelis zupfte ihren businessgrauen Rock zurecht und begutachtete ihre Fingernägel. »Auch in Bulgarien hat sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Mafia breitgemacht. Onkel Anton sieht zwar nicht gerade aus, wie man sich einen schwerreichen Mafioso vorstellt, aber wer weiàâ¦Â« Sie beendete die Inspektion ihrer Nägel und sah mir ins Gesicht. »Falls Schivkov wirklich zur bulgarischen Mafia gehört, dann wird er sich an den Leuten rächen, die seinen Cayenne in die Luft gesprengt haben. Dann stehen uns ungemütliche Zeiten ins Haus, fürchte ich.«
»Er scheint hier nur seinen Neffen zu haben.« Ich betrachtete eine Weile erfolglos die Zimmerdecke. »Zu zweit wird auch ein Bulgare nicht in den Krieg ziehen. Er braucht Verstärkung. Besorgen Sie bitte die Passagierlisten aller Flüge von Bulgarien nach Deutschland der letzten beiden Wochen, und gleichen Sie sie mit den Karteien der Kollegen in Sofia ab. Ich
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