Der fünfte Mörder
fürchte, hier geht es um mehr als Geld und Bordelle. Hier geht es um die Besetzung von Revieren und Geschäftsfeldern, und vor allem geht es um Respekt. Mit jeder Stunde, die Schivkov jetzt verstreichen lässt, ohne zurückzuschlagen, wird er in den Augen seiner Gegner â wer immer das sein mag â schwächer.«
Der Rest des Samstagnachmittags verlief unspektakulär. Die Fahndung nach dem angeblichen Araber blieb vorläufig erfolglos. Für Ergebnisse aus den Labors des LKA war es noch zu früh. Auch aus Sofia hörte man nichts. Dort schien man das Wochenende ernster zu nehmen als bei uns. Als ich um kurz nach fünf meine Sachen packte, um mich auf den Heimweg zu machen, stürmte Balke herein und hätte mich fast umgerannt.
»Gott sei Dank, Sie sind noch da«, keuchte er. »Es geht los. Auf der A  5, in der Nähe vom Rasthof Hardtwald.«
Auf der Autobahn war vor einer halben Stunde auf den Fahrer eines schweren Audi mit Baden-Badener Kennzeichen geschossen worden. Der Wagen war mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Norden unterwegs gewesen, ins Schleudern gekommen und hatte sich mehrfach überschlagen. Was die Kollegen von der Autobahnpolizei zunächst für einen klassischen Unfall wegen überhöhter Geschwindigkeit gehalten hatten, hatte sich rasch als Mordversuch entpuppt. Das Geschoss hatte die Nackenstütze durchschlagen und war in der Dachverkleidung des Audi stecken geblieben. Der Fahrer und einzige Insasse hatte den Unfall bei annähernd zweihundert Stundenkilometern nur dank seines Airbags überlebt. In seinem Ausweis stand der Name Piotr Voronin.
Balke hatte auf die Schnelle schon herausgefunden, dass der Verunglückte Geschäftsmann war. Piotr Voronin betrieb unter anderem eine Nobelboutique für italienische und französische Designermode in Baden-Baden. Geboren war er jedoch in Russland, in einem Städtchen in der Nähe von Samara.
Was Balke in solche Alarmstimmung versetzt hatte, war jedoch nicht der Geburtsort Voronins, sondern das Ziel, auf das das Navigationssystem des Audi programmiert war. Voronin war auf dem Weg nach Schriesheim gewesen, zu einer Adresse, unter der eine gewisse Elisaveta Lebedeva gemeldet war. Die Witwe des toten Mafiachefs.
5
Zehn Minuten später war ich nicht, wie geplant, auf dem Weg nach Hause, sondern nach Schriesheim, etwa acht Kilometer nördlich von Heidelberg. Klara Vangelis fuhr, und wie üblich fuhr sie schnell. Rasantes Autofahren war neben dem Schneidern von Designerkostümen ihre zweite Leidenschaft. Bis zu ihrem Verkehrsunfall letztes Jahr, bei dem sie den Wagen ihres Vaters zu Schrott gefahren hatte, war sie regelmäÃig mit seinem kleinen Renault Rallyes gefahren und hatte diese fast ebenso regelmäÃig gewonnen. Heute hatte ich nichts dagegen, dass sie das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Sollte es mir nicht gelingen, den drohenden Bandenkrieg zu stoppen, bevor er richtig losbrach, durfte es für längere Zeit vorbei sein mit der kurpfälzischen Gemütlichkeit. Vor der Abfahrt hatte ich noch versucht, Schivkov oder seinen Neffen zu erreichen. Aber bei den Festnetznummern, die sie mir genannt hatten, wurde nicht abgenommen, die Handys waren ausgeschaltet.
So rasten wir mit heulendem Martinshorn auf der BundesstraÃe in Richtung Norden, als wieder einmal mein Handy Alarm schlug.
Sarah, die Dritte: »Paps, die Waschmaschine, ich glaub, die spinnt irgendwie.«
Ich versuchte, ruhig zu bleiben. »Inwiefern?«
»Oben, da wo man das Waschmittel reintut, läuft Wasser raus.«
»Um Himmels willen! Habe ich nicht â¦Â« Ich schluckte und fuhr in gemäÃigter Lautstärke fort: »Hast du sie ausgeschaltet und wieder eingeschaltet, wie ich es gesagt habe?«
»Bin ja nicht blöd!«
»Dann ist sie jetzt wohl endgültig hinüber. Schalte sie aus, und dreh den Wasserhahn zu.«
»Hab ich schon.«
»Dann werdet ihr jetzt wohl die Küche putzen müssen und leider doch andere Jeans anziehen. Ist es sehr schlimm?«
»Steht schon ein bisschen unter Wasser. Aber das kriegen wir hin. Im Flur ist noch nichts.«
Vangelis lächelte verständnisvoll, als ich das Gespräch beendete. »Nicht immer leicht mit Kindern, wie?«
»Kinder sind eine der schönsten Erfahrungen, die man im Leben machen kann«, erwiderte ich wütend, »aber definitiv auch eine der anstrengendsten.«
Vangelis hatte
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