Der fünfte Mörder
beschnuppert hatte.
In den vergangenen Monaten hatte meine Geliebte sich mit ihrem Manuskript herumgequält, in dem es im Wesentlichen um die Intrigen und das Lotterleben des kurpfälzischen Hofs im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert ging. Es sollte etwas werden zwischen historischem Tatsachenroman und frivolem Sittengemälde. Nachdem es anfangs gut vorangegangen war, hatte sie vor drei Monaten in einer ernsten Motivationskrise gesteckt. Diese war jedoch schlagartig beendet gewesen, als ein kleiner Mannheimer Verlag von dem Projekt erfuhr und Interesse bekundete. Daraufhin hatte Theresa ein regelrechter Schaffensrausch gepackt, und nur fünf Wochen später hatte sie das Manuskript abgeliefert.
Und seit vorgestern lagen sie nun im Buchhandel, die »Kabale und Liebe am kurpfälzischen Hof«. Theresa schwankte zwischen Ãberschwang und Stolz und nagenden Selbstzweifeln. Und natürlich fieberte sie meinem Urteil entgegen. Ihr Mann hatte es bereits gelesen, wusste ich, von vorne bis hinten in einem Rutsch, und hatte es schwer gelobt.
Heute Abend würde ich mir Theresas Buch vornehmen. Gleichgültig, wie müde ich sein sollte, wenigstens zehn Seiten musste ich schaffen. Und selbstverständlich würde auch ich etwas zu loben finden.
Vor Elisaveta Lebedevas Villa fand Vangelis eine letzte, enge Parklücke, zwängte unseren BMW hinein und stellte den Motor ab. Das Haus war, soweit man das von der StraÃe aus beurteilen konnte, keineswegs protzig und gehörte nicht einmal zu den mondänsten in der Reihe am Westhang des Odenwalds. Hell erleuchtet thronte es auf einem sanft ansteigenden, gepflegten Grundstück. Auf beiden Seiten des schmalen SträÃchens parkten Wagen, von deren Neuwert eine deutsche Durchschnittsfamilie viele Jahre sorgenfrei hätte leben können. Einen Mercedes S 500 entdeckte ich, nicht weniger als vier Porsche Cayenne, zwei Panamera, einen Bentley sowie zwei BMW der 7-er Klasse. Einige Fahrzeuge führten Baden-Badener Kennzeichen. Die Porsche kamen allesamt aus dem südlichen Taunus, der Bentley aus Hamburg.
Zur StraÃe hin wurde das erhöht liegende Grundstück durch eine übermannshohe, glatte Betonmauer abgegrenzt. An ihrem oberen Ende, direkt unter dem Haus, war das breite Tor einer Doppelgarage eingelassen. Ungefähr in der Mitte der Mauer befand sich eine schwere bronzefarbene Tür, die deutlich machte, dass hier nicht jeder willkommen war. Ãber dem goldenen Klingelknopf, dort, wo sich üblicherweise das Namensschild befand, glotzte ein Kameraauge. Rechts auf der Mauer entdeckte ich eine zweite, bewegliche Kamera, die sich langsam von uns wegdrehte.
Ich drückte den Knopf, und oben im Haus ertönte ein wichtig klingender Gong. Die Kamera auf der Mauer machte sofort kehrt und schwenkte nun lautlos in unsere Richtung. Stimmen in der Ferne, dann ein Knacken in der Sprechanlage.
»Sie wünschen?«, herrschte mich eine raue Männerstimme an.
»Wir würden gerne Frau Lebedeva sprechen.«
»Worum geht es?«
»Um einen Verkehrsunfall. Wir sind von der Polizei.«
»Sie tragen aber keine Uniform!«
Wortlos hielt ich meinen Dienstausweis vor die Linse. Augenblicke später schnarrte der Türöffner. Wir mussten einige Stufen einer elegant geschwungenen, breiten Marmortreppe hinaufsteigen, und als wir oben ankamen, wirkte die Villa schon wesentlich groÃzügiger als von der StraÃe her. Vom Ende der Treppe führte ein mit hellem Naturstein gepflasterter Weg zur Haustür. In der Zwischenzeit hatten zwei weitere Kameras jeden unserer Schritte sorgfältig registriert.
Zwei kräftige Männer mittleren Alters in der Pose von Türstehern erwarteten uns vor dem Haus. Der linke hatte einen kahl geschorenen Kopf, eine Boxernase und ein dünn ausrasiertes Bärtchen. Die mächtigen Arme hatte er vor der breiten Brust verschränkt. Der andere war schmaler, wirkte etwas sympathischer und hatte rötlich-blonde Locken.
»Gehn Sie rein«, knurrte der Linke mit hessischem Akzent und öffnete die Tür mit einer Geste, als hätte er uns sehr viel lieber eigenhändig wieder auf die StraÃe hinunterbefördert.
Innen roch es nach gebratenem Fleisch, gekochtem Kohl und schwitzenden Männern. Viele Personen schienen hier versammelt zu sein, die sich zum gröÃten Teil in einem saalähnlichen Wohnraum links vom Eingang aufhielten. Gläser klirrten, kehliges
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