Der Fürst der Dunkelheit
gibt.”
“
Gute Vampire?”
Er antwortete sehr langsam und sorgfältig. “Es gibt Vampire, die mit uns Menschen in friedlicher Koexistenz leben wollen, die sich selbst die Grundlagen der Menschlichkeit bewahrt haben. Die Frau, der dieses Haus hier gehört, ist eigentlich eine sehr weise …” Er zögerte. “Ein guter Vampir.”
Sie sprang aus dem Bett und starrte ihn an. Er war zu weit gegangen. In ihren Augen stand der Vorwurf, er wäre vollkommen wahnsinnig.
“Das … das weißt du also alles?” Ihre Stimme war voller Zweifel, ihre Augen riesengroß. Und doch … beinahe musste er über die unbewusste Reaktion seines Körpers auf ihren Anblick lächeln. Sie war nackt, funkelte ihn an, das Haar zerzaust und wunderschön, und sein Herz hämmerte schon wieder. Nach dem, was er ihr gerade erzählt hatte, war sie zweifellos davon überzeugt, ihn nie wieder in ihre Nähe zu lassen.
“Lauren, es gibt noch so viel …”
“Ich muss ins Krankenhaus”, sagte sie knapp.
“Ich bring dich hin. Ich habe einen Wagen.”
Ihre Gesichtszüge waren angespannt. Aber sie nickte, schnappte sich ihr Kleid, zog es sich über den Kopf. “Zehn Minuten. Ich muss duschen und mich umziehen. Für die Nacht.”
Er war nicht ganz sicher, was sie damit meinte, aber schon war sie weg. Er ging ebenfalls noch einmal unter die Dusche, trocknete sich schnell ab und zog sich an.
Wenigstens war sie jetzt hier, im Montresse House. Wenigstens war sie bereit, sich von ihm zum Krankenhaus fahren zu lassen. Wenigstens …
Er hatte sie berührt. Mit ihr geschlafen.
Wenigstens hatte sie jetzt eine Vorstellung von der tödlichen Gefahr, in der sie schwebte.
Er würde gern glauben, dass sie vielleicht eine gemeinsame Zukunft haben könnten.
Aber das wagte er nicht.
Viele Touristen wanderten über den Jackson Square. Das, dachte Susan, war gut. Beinahe wie in den alten Zeiten. Nur ein paar Meter entfernt hatte eine Karikaturistin ihren Stand und fertigte gerade eine Zeichnung von einem offensichtlich sehr verliebten jungen Paar an. Neben der Künstlerin hatte sich eine junge Frau mit Turban und Zigeunerrock aufgebaut.
Susan saß einen Augenblick still an ihrem eigenen Tisch, schloss die Augen, die Hände auf die Tarotkarten gelegt. Sie drehte die Karten nicht um; sie schloss nur die Augen und lauschte.
Sie hörte das Rattern einer von Maultieren gezogenen Kutsche.
Irgendwo spielte ein Saxofon.
Gelächter.
Jemand, der schon ganz schön durch den Wind war, stolperte auf dem Bürgersteig, und ein noch etwas nüchternerer Kumpan half ihm wieder auf.
Sie konzentrierte sich.
Ihr vollständiger Name war Susan Beauvais, und ihre Familie lebte hier schon seit Jahrhunderten. Einer ihrer Vorfahren war vor dem blutigen Aufstand geflohen, der 1791 in Haiti ausgebrochen war. In den Jahrhunderten seither waren alle möglichen unterschiedlichen Vorfahren dazugekommen. Mindestens einer war ein Indianer gewesen. Aber ihre Mutter, eine Kreolin, war es, die ihr von jener Magie erzählte, von der die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang überhaupt nichts mitbekamen. Aus Tarotkarten und Handflächen und der Kristallkugel zu lesen, das sorgte für einen ganz anständigen Lebensunterhalt, aber es gab noch so viel mehr zu lernen.
Nicht immer fühlte sie sich wirklich wohl mit ihren Fähigkeiten. Manchmal war es für die Menschen besser, wenn sie nicht wussten, was die Zukunft für sie bereithielt.
Aber es gab auch andere Situationen, in denen es für die Menschen zwingend erforderlich war zu wissen, was auf sie zukam. Und dies hier war eine solche Situation.
Sie hatte solche Schwierigkeiten schon früher gespürt, aber noch nie so stark, so Furcht einflößend.
Sie konzentrierte sich noch stärker, und endlich kam es über sie.
Ein sanftes Geräusch, ein Rascheln im Wind.
Ja, jetzt konnte sie es hören. Das Schlagen von Flügeln.
Sie sah hoch in den Himmel. Fledermäuse. Hier gab es oft Fledermäuse. Sie hausten oben in den Regenrinnen der höheren Gebäude.
Sie nahm die Hände von den Karten, bat die Künstlerin nebenan, einen Augenblick auf ihren Tisch aufzupassen, dann eilte sie hinüber zur Kirche, wobei sie sich nervös umsah.
Die breiten Türen standen noch offen, auch wenn sie jetzt bald geschlossen würden.
Drinnen kniete sie sich hin und zog das große Kreuz aus dem Hemd, das sie immer trug, hielt es fest in beiden Händen und murmelte ein Gebet.
Obwohl sie nicht aufsah, konnte sie spüren, wie jemand neben ihr auf der Kirchbank
Weitere Kostenlose Bücher