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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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letzten Tagen hier gewesen! Um mit de Grassis zu sprechen. Oder dem Papst. Um ein Heer von Arbeitern von der Baustelle von San Pietro abzuziehen, das Francescos Via Triumphalis durch Rom errichten sollte.
    Ich öffnete die Tür und eilte die Loggia entlang zum Audienzsaal des Papstes.
    Ich wurde sofort vorgelassen.
    Als das Portal des Saales geöffnet wurde, blieb ich verdutzt in der Tür stehen.
    Julius kniete auf dem Boden und hob einen vierjährigen Jungen auf ein Holzpferd mit Rädern, das mit einer Schnur durch den Saal gezogen werden konnte. Der Papst sah mich irritiert an, ließ sich aber in seiner liebevollen Beschäftigung mit dem Jungen nicht stören. Er hielt mir seine Hand zum Kuss hin.
    Auf einem Sessel neben dem leeren Papstthron saß eine schöne Madonna, die mir huldvoll zulächelte, als ich zu ihr herantrat, um auch ihr die Hand zu küssen: Lucrezia de Cupis, Julius’ Geliebte und die Mutter seiner drei Töchter Felice, Clarice und Giulia della Rovere.
    Madonna Lucrezia war mit Bernardino de Cupis, einem Scriptor Brevium verheiratet, der die drei Kinder seiner Frau legitimiert hatte – offiziell. Inoffiziell wusste in Kurienkreisen jeder, von welchem Heiligen oder Unheiligen Vater Felice, Clarice und Giulia ihr aufbrausendes Temperament hatten: nicht vom gutmütigen, liebenswürdigen Monsignor de Cupis, der nur Julius’ Cupido genannt wurde.
    Dann erst sah ich sie.
    Starr wie eine Marmorstatue stand ich vor ihr.
    Ich suchte Felices Blick, eine Antwort auf meine ungestellte Frage. Sie hatte mich in der Nacht verlassen, als Luca geboren worden war. Mein Gott, wie lange war das her! Hatte sie mir vergeben, nach all den Jahren?
    Ich verneigte mich höflich: »Contessa Orsini! Welch eine Freude, Euch wiederzusehen …«
    »Signor Santi«, neckte sie mich. »So nennt man dich jetzt in Urbino, nicht wahr, Raffaello? Vertrauter des Herzogs Francesco, Geliebter der Herzogin Eleonora.« Ihr Ton war verletzender als Francescos Schwert in meiner Seite. Doch dann besann sie sich. »Lucas Tod tut mir Leid, Raffaello.«
    »Danke, Felice.«
    »Darf ich dir meinen Sohn Girolamo vorstellen?«
    Neben Papst Julius ging ich in die Knie, um den Jungen zu begrüßen. Und um ihrem Blick zu entgehen. Dafür musste ich Julius’ Lächeln ertragen.
    Girolamo war ein hübscher Junge von vier Jahren. Sein dunkles Haar fiel ihm in Engelslocken bis auf die Schultern. Er sah mich mit großen Augen an.
    »Ich freue mich, dich kennen zu lernen, mein Sohn«, sagte ich.
    Girolamo sah mich mit leuchtenden Augen an. »Mama hat mir von dir erzählt. Darf ich dich Raffaello nennen?«, bat er mich.
    »Natürlich«, sagte ich. »Nenne mich, wie du willst, Girolamo.«
    Was, zum Teufel, hatte Felice ihm über mich erzählt?
    »Großvater und ich wollten gerade reiten«, klärte mich der Kleine mit einem strahlenden Lächeln auf. Er zeigte auf das Holzpferd auf Rädern, dessen Schnur Julius in der Hand hielt. »Wir werden zusammen in die Schlacht reiten.«
    »Mein Vater ist ganz vernarrt in Girolamo. Er lässt ihn auf dem Holzpferd sitzen und zieht ihn durch den Audienzsaal«, erklärte Felice versöhnlich. »Er verwöhnt seinen Enkel.«
    Julius beobachtete mich, als ich mich wieder erhob. »Er ist ein liebenswerter Junge«, sagte ich zu Felice.
    Sie sah mich an, zögerte, dann lächelte sie geheimnisvoll: »Wie der Vater, Raffaello! Girolamo ist wie sein Vater.« Sie schlang ihre Arme um meinen Hals, zog mich an sich und küsste mich. Dann schob sie mich wieder von sich, lächelte mich frech an.
    Felices Verhalten mir gegenüber verstand ich nicht. Kein bisschen!
    Sie war kühl und abweisend, ihre Worte waren verletzend. Doch als ich mich mit Girolamo unterhielt, war ein Lächeln über ihr schönes Gesicht gehuscht. Eine Erinnerung an eine andere, glücklichere Zeit, die nur eine Nacht währte? Der Kuss: leidenschaftlich, als wäre sie immer noch in mich verliebt. Und dann eine unmissverständliche, eine unbarmherzige Erinnerung, dass sie die Frau eines anderen war: die Contessa Felice della Rovere Orsini! ›Wie sein Vater‹, hatte sie gesagt. Wollte sie mich herausfordern? Girolamo sah seinem Vater Gian Giordano Orsini nicht ähnlich. Kein bisschen!
    Lucrezia de Cupis lächelte geheimnisvoll, wie eine meiner Madonnen. Sie hatte Felice und mich beobachtet. Und Girolamo. Sie schien zu wissen, welches Schicksal uns bestimmt war.
    Julius erhob sich und reichte seiner Tochter die Zügel des Holzpferdchens, auf dem sein Enkel durch den

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