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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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dessen Maske er trug: der siegreiche Caesar! Doch im Augenblick der Euphorie, des Triumphes hatte er Angst. Angst, alles wieder zu verlieren. Angst zu stürzen. Angst vor der Einsamkeit. Ich war sein Freund, der einzige, der ihm seit seiner Thronbesteigung geblieben war. Doch nicht einmal meiner Loyalität konnte er sicher sein: Ich lachte und scherzte mit seinen Feinden.
    Für einen Augenblick tat er mir Leid. Trotz allem.
    Ich ging ein paar Schritte, und er folgte mir.
    Er wollte mit mir reden. Allein.
    Wir betraten den nächsten Raum, den künftigen Audienzsaal des Papstes, in dem Pietro Perugino die Decke freskierte. Auch sein Gerüst war für diesen Abend abgebaut worden. Ich ließ mich auf einer der Marmorbänke am Fenster nieder, und Francesco setzte sich mir gegenüber. Der Raum war unbeleuchtet, und nur der rötlich goldene Schein der untergehenden Sonne erhellte unsere Gesichter.
    »Ich sehe, du bist passend gekleidet: als Marcus Antonius! Willst du mir heute Nacht meine Kleopatra entführen?«, scherzte Francesco. »Eine schöne Maske! Woher hast du sie?«
    »Du wirst lachen, aber im Vatikan gibt es eine Theaterrequisite«, erklärte ich. »Diese Rüstung hat Cesare Borgia gehört.«
    »Marcus Antonius«, sagte er, und seine Stimme hatte einen zweifelnden, misstrauischen Unterton. »Bist du ein Feind des Caesar?«
    »Nur, wenn du mich zu deinem Feind machst, Francesco«, antwortete ich.
    Er überlegte eine Weile, was meine kryptischen Worte bedeuten könnten. Dachte er an unsere letzte Unterhaltung im Palazzo Ducale von Urbino, als er mich nach Rom verbannte? An unsere Trennung, den Abschied von zwei Fremden?
    »Ich hatte so sehr auf eine Versöhnung gehofft«, begann er. Nachdenklich drehte er den vergoldeten Lorbeerkranz des Gaius Julius Caesar in der Hand. »Raffaello, du bist mein Freund, der Einzige, dem ich vertrauen kann …«
    Ich antwortete nicht.
    Meine Verbannung aus Urbino schmerzte immer noch mehr als die Wunde, die er mir bei unserem Duell beigebracht hatte. Aber nicht so sehr wie der Tod meines Sohnes. Unsere Freundschaft konnte nie wieder so sein wie in den unbeschwerten Jahren unserer Kindheit. Zu viel war geschehen seitdem, zu viele Schatten standen zwischen uns. Herzog Guido. Gian Andrea Bravo. Fioretta. Eleonora. Und Luca. Mein kleiner Luca …
    Francesco hatte meine Hand ergriffen. »Komm zurück nach Urbino, Raffaello! Ich brauche dich«, flüsterte er.
    Ich schwieg noch immer.
    Wollte ich zurückkehren nach Urbino? Als Francescos Freund, als sein Vertrauter im Palazzo Ducale leben? Immer umgeben von meinen Zweifeln, ob er nicht der Mörder meines Sohnes war? Oder wollte ich in Rom bleiben? Wo ich meine Zweifel vergessen konnte … Ich war erst kurze Zeit in Rom und war doch fasziniert von dieser Stadt. Ich wollte hier bleiben. Wollte zur Ruhe kommen. Vergessen. Neu anfangen …
    »Nein«, erklärte ich ihm meine Unabhängigkeit. »Ich werde nicht nach Urbino zurückkehren, Francesco. Nie mehr!«
    Er verstand mein Schweigen falsch. Und meine Worte verletzten ihn. Er, der stolze Francesco della Rovere, hatte sich vor mir gedemütigt, sprach von Versöhnung und Vertrauen … und ich …
    Er hielt meine Worte für eine Absage an unsere Freundschaft. Er glaubte, dass ich ihm den Mord an Herzog Guido und Luca nicht verzeihen konnte.
    Bevor ich etwas sagen konnte, erhob er sich unbeherrscht und starrte auf mich herunter. Im Licht der Abenddämmerung glühte sein Gesicht wie geschmolzenes Metall. Die Enttäuschung, die Verzweiflung und die Wut über meine Unnachgiebigkeit funkelten in seinen Augen.
    Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um, setzte den Lorbeerkranz auf, verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Allein saß ich in der Dämmerung. Die Sonne war untergegangen, das letzte Licht des Tages versank in der Finsternis der Nacht. Tränen liefen über meine Wangen. Ich barg mein Gesicht in den Händen und weinte.
    So fest hatte ich mich in meinen Schmerz gewickelt, dass ich sie erst bemerkte, als sie sich neben mich setzte und meine Hand in die ihre nahm. Sie hatte gesehen, wie ich mit ihrem Cousin Francesco in die Stanza gegangen war und wie Francesco ein paar Minuten später zornig und ohne mich den Raum verlassen hatte.
    »Francesco hat auch geweint. Habt ihr gestritten?«, flüsterte sie. »Um wen weinst du, Raffaello? Um Francesco – oder um dich selbst? Weil du nun ganz allein bist!« Sie wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Ich bin auch einsam, Raffaello«,

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