Der Fürst der Maler
Audienzsaal des Papstes reiten wollte. In die Schlacht. Seine Mundwinkel zuckten, und er schien nicht erbost über die Störung seines seltenen Familienglücks.
Was amüsierte ihn so? Das grausame Spiel, das Felice mit mir spielte?
»Wen willst du sprechen, Raffaello? Den Vater, den Sohn oder die Madonna Felice?«, fragte er, als er mir den Arm um die Schulter legte.
Francescos triumphaler Einzug in Rom war das Ereignis des Jahres 1508! Eine gewaltige Inszenierung vatikanischer Macht, und doch: ein lächerliches Theaterstück, eine Familienfeier der della Rovere!
Zweihundert Lanzenreiter der Schweizer Garde führten die Prozession des Herzogs von Urbino an, dann folgten weitere zweihundert Offiziere aus Urbino, die von Baldassare Castiglione in seiner Prunkrüstung angeführt wurden.
Zwischen den Bannern und seiner schwer bewaffneten Leibgarde konnte ich Francesco auf seinem unruhig tänzelnden Hengst kaum erkennen. Auch er trug eine reich verzierte Prunkrüstung und einen herrlichen Helm mit bunter Feder. Eleonora ritt neben ihm. Sie winkte mir verstohlen zu, als sie mich auf der Ehrentribüne in der Via Alessandrina entdeckte.
Hinter dem Herzogspaar wurden die Banner von Urbino getragen, der schwarze Adler mit ausgebreiteten Schwingen, die Flagge von Rom mit den Goldlettern S P Q R auf roter Seide, denn Francesco war auch Präfekt von Rom, sowie das Wappen der della Rovere, ein Schild mit einer Eiche, dem Symbol für Stolz und Standhaftigkeit. Hinter den Bannern folgten die Botschafter von Siena, Lucca und Florenz, Venedig, Ferrara, Mantua, Mailand und Perugia. Gian Paolo Baglioni warf mir einen vernichtenden Blick zu, als er mich auf der Tribüne entdeckte.
Herzog Alfonso d’Este von Ferrara nahm als Verwandter des Herzogspaares von Urbino ebenso an der Prozession teil wie der Marchese Francesco Gonzaga von Mantua. Die beiden Schwager hielten Sicherheitsabstand. Seit das Gerücht erzählt wurde, Lucrezia Borgia, die Herzogin von Ferrara, habe Francesco Gonzaga einen Sohn, Ercole d’Este, geschenkt, standen Ferrara und Mantua kurz vor einer gegenseitigen Kriegserklärung. Herzog Alfonso lächelte zufrieden, dass der verhasste Marchese Gonzaga nicht Gonfaloniere des Papstes geworden war. Auch er schien die Gerüchte über den mysteriösen Mord an Guido und meinem Sohn gehört zu haben.
Der unglaubliche Prunk, mit dem der Präfekt von Rom in seine Stadt einzog, verblüffte die Römer. In den letzten Tagen hatte Papst Julius’ Entschluss, die alte Basilika von San Pietro endgültig abreißen zu lassen, für Aufruhr gesorgt. In den Augen der Römer war es ein Sakrileg, das mehr als tausend Jahre alte Domus Dei niederzureißen, die heilige Stätte des Petrusgrabes, die Wallfahrtsstätte für so viele Generationen von Pilgern dem Erdboden gleich zu machen. In unzähligen Schmähschriften gegen Papst Julius und seinen Bauleiter Donato Bramante hatten die Römer am Pasquino, der Statue des Menelaos in der Nähe der Piazza Navona, ihrem Zorn Luft gemacht. Donato, dem die Römer den Namen Il Ruinante gegeben hatten, war eines Abends sogar auf seinem Heimweg von der Baustelle von San Pietro in den Palazzo del Belvedere von zornigen Römern bedroht worden!
Gerade als Francesco auf seinem Pferd die Engelsburg passierte, ließ der Papst die Kanonen der Festung zwanzig Schuss Salut abgeben. Das Geschützfeuer war lauter als die Schlacht um Urbino, als Cesare Borgia den Palazzo Ducale unter Beschuss genommen hatte.
Francesco verzog keine Miene.
Sein Empfang durch seinen Onkel vor der alten Basilika von San Pietro war nicht weniger eindrucksvoll als die Prozession des Herzogs durch Rom. Die Piazza San Pietro war ein Meer aus purpurfarbener und violetter Seide und Papst Julius’ weiße Soutane weithin sichtbar. Er war imposant wie ein Prophet des Alten Testaments – auch ohne die mit Diamanten und Rubinen besetzte Tiara, die sein Bankier Agostino Chigi als Sicherheit für den Kredit in seinem Kontor in der Via Canale di Ponte aufbewahrte. Die päpstliche Kasse war durch den Bau von San Pietro, die Freskierung der Sixtina und der Stanzen und den Feldzug gegen Perugia und Bologna leer, sodass Papst Julius für die Finanzierung des Triumphzuges seines Neffen einen Kredit bei der Banca Chigi aufnehmen musste.
In einer pompösen Zeremonie vor San Pietro ernannte Julius seinen ›lieben Neffen‹ Francesco della Rovere, Herzog von Urbino, Präfekt von Rom, Signore von Senigallia, zum Gonfaloniere der Kirche und
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