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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Oberbefehlshaber des päpstlichen Heeres. Francesco konnte sein zufriedenes Lächeln nicht verbergen, als er die Glückwünsche der Kardinäle und Bischöfe, der Monsignori und Sekretäre der Kurie, des Herzogs von Ferrara und des Marchese von Mantua entgegennahm. Sein Onkel Francesco Gonzaga lächelte nicht – er knirschte mit den Zähnen.
    Schließlich stand auch ich vor Francesco, der wie ein Feldherr, der den Vatikan erobert hatte, auf den Stufen von San Pietro die Huldigungen Roms entgegennahm. Ich nickte ihm zu, verneigte mich aber nicht.
    Francesco lächelte mich freundlich an und kam mir eine Stufe entgegen. »Ich freue mich, Raffaello! Meine Entscheidung, dich als meinen Botschafter in den Vatikan zu schicken, ist vom Lorbeer des Erfolgs gekrönt worden. Dir verdanke ich meine Ernennung. Ich weiß das zu schätzen! Ich bin dir sehr dankbar, mein Freund«, flüsterte er mir zu. Dann knuffte er mich in die Rippen – wie in den Zeiten unserer Freundschaft.

    Der abendliche Maskenball zu Ehren des neuen Gonfaloniere fand in den leer geräumten Stanzen statt. Nach dem Abendessen in dem Saal, in dem bis zum Morgen noch mein Zeichentisch gestanden hatte, begaben sich die Gäste zu Musik und Tanz in die benachbarten Räume, die mit Ranken aus Eichenlaub, dem Wappen der della Rovere, geschmückt waren.
    Ein gut gelaunter Göttervater Jupiter zeigte seinen Gästen die ersten Fresken von Sodoma und Perugino in seiner neuen Wohnung. Julius führte Francesco Gonzaga, Alfonso d’Este und seinen Neffen Francesco durch die Räume. Der Marchese von Mantua war als Kaiser Nero erschienen, in prächtiger, mit Goldfäden bestickter Purpurtoga und einem Lorbeerkranz auf der Stirn, der Herzog von Ferrara als Kaiser Marcus Aurelius – allerdings nicht als Philosoph, sondern in vergoldeter Kriegsrüstung. Sogar auf einem Maskenball konkurrierten die beiden Herrscher um die Vorherrschaft – um die Bewunderung der anwesenden Frauen.
    Vor dem Festmahl hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, meine Freunde zu begrüßen: Baldassare Castiglione, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Lucius Annaeus Seneca hatte, Bernardo Dovizi da Bibbiena, der sich als Dichter Horatius verkleidet hatte, und Pietro Bembo in der Maske des Marcus Tullius Cicero.
    Als ich zu ihnen hinübergehen wollte, hakte sich Bacchus, der Gott der Liebe und des Weins, bei mir unter und zog mich mit sich fort in die benachbarte Stanza della Segnatura. Giovanni schleppte mich zu seinem Bruder Giuliano de’ Medici, der mit Francesco nach Rom gekommen war. Schon bei Tisch hatte ich beobachtet, wie die beiden Brüder unablässig getuschelt hatten – sicher nicht über die zehngängige Speisenfolge oder das gewagte Kleid der Herzogin Eleonora in der Maske der Königin Kleopatra. Oder Francescos kostbare Toga des Imperators Gaius Julius Caesar.
    Giuliano de’ Medici trug eine schlichte weiße Toga: die Maske des Caesar-Mörders Marcus Junius Brutus. Ich fragte mich insgeheim, ob ich ihm nicht ein wenig rote Farbe mischen sollte, die er sich als Caesars Blut über die Tunika kippen konnte. Sein höhnisches Lächeln, das er in Francescos Richtung warf, hätte dazu gepasst.
    Monsignor Giulio de’ Medici, der Cousin der beiden Medici-Brüder, trat zu uns und wenig später Kardinal Francesco Alidosi, der als Pompeius mit seiner römischen Feldherrenrüstung und dem Federbusch auf seinem Helm eine imposante Erscheinung war. Wir lachten und scherzten, und Giuliano ließ sich von mir Piero della Francescas Fresken zeigen. Sodomas Gerüst war ebenso aus dem Raum entfernt worden wie der Strohballen der Eselin Thalia, die Mörtelsäcke und der Werktisch mit den Freskofarben. Gian Antonio hatte sich über ein paar freie Tage gefreut.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Francesco. Er stand schweigend in der Tür und beobachtete uns stirnrunzelnd. Ihm waren die provozierenden Masken von Giuliano de’ Medici und Kardinal Alidosi nicht entgangen. Ebenso wenig wie unsere freundschaftliche Unterhaltung. Mit einem Becher Wein in der Hand schlenderte er zu uns herüber.
    »Welch edle Gesellschaft!«, rief er aus und schwenkte den vergoldeten Lorbeerkranz. »Pompeius, Brutus und Antonius! Was wird das: eine Verschwörung? Gegen Julius Caesar?«
    Seine Fröhlichkeit war gespielt, ich spürte seine Anspannung, sein Misstrauen. Das Zittern in seiner Stimme: War es Furcht? Er hatte alles erreicht, was er sich erträumt hatte: Er war Herzog von Urbino und Gonfaloniere der Kirche. Er war der,

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