Der Fürst der Maler
dass du nach Rom gehst, Raffaello. Als mein Botschafter im Vatikan. Ich will wissen, was Onkel Giuliano über mich denkt.«
Was der Papst über ihn denkt! Julius hielt seinen Neffen offensichtlich für den Mörder an seinem Onkel Guido und dem kleinen Luca. Er befahl Francesco nach Rom, damit der Herzog von Urbino sich vor dem Papst für seine Tat verantwortete. Aber Francesco weigerte sich.
Ash-Shah mat! Keiner der beiden della Rovere, weder der Papst noch der Herzog, würde nachgeben. Es würde zum Interdikt kommen, vielleicht sogar zum Krieg. Es sei denn …
Francescos letzte Worte fielen mir ein. Ich kannte den einzigen Grund, aus dem Francesco nach Rom kommen würde …
Hastig zog ich Hemd und Stiefel an, nahm die Kerze und machte mich auf den Weg in Giovannis Schlafzimmer.
»Ich hoffe, es wird dir nicht zur Gewohnheit, mich um diese unchristliche Zeit um eine Audienz zu bitten«, donnerte Julius nicht einmal eine Stunde später. Er saß auf seinem Bett und trug einen reich bestickten Umhang aus chinesischer Seide.
Giovanni war ähnlich ungehalten gewesen, als ich ihn mitten in der Nacht geweckt hatte. Doch er hatte mich bis zu Ende angehört. Dann hatte er sich die Purpursoutane übergezogen und war mit mir und einer Eskorte Bewaffneter zum Vatikanischen Palast geritten.
Monsignor de Grassis hatte uns sofort ins päpstliche Schlafzimmer geführt.
»Nein, Euer Heiligkeit! Ich bitte um Vergebung …«, begann ich.
»Was ist los? Warum lässt du mich wecken?«, fragte er mürrisch. »Hat Michelangelo mir den Krieg erklärt, oder ist San Pietro eingestürzt?«
»Weder noch, Heiliger Vater. Es geht um den triumphalen Einzug des Herzogs von Urbino nach Rom. Ich will die Organisation und die Kosten mit Eurer Heiligkeit besprechen.«
»Hast du den Verstand verloren, Raffaello?«, brüllte mich Julius an. »Triumphzug? Für Francesco, diesen … diesen …« Julius rang um Worte, und ich half ihm:
»… Bannerträger der Kirche!«, schlug ich vor.
Bevor der Vulkan explodierte, kam Giovanni mir zu Hilfe. »Raffaello wird – Eure Erlaubnis vorausgesetzt – einen Triumphzug organisieren, der Cesare Borgia neidisch gemacht hätte. Die Feierlichkeiten zur Ernennung von Herzog Francesco zum Gonfaloniere der Kirche werden Rom und Italien Euren Großmut und Eure Vergebung beweisen, Heiliger Vater«, sagte Giovanni.
»Meine Vergebung, Giovanni? Seid ihr beide betrunken?«
Paris de Grassis hatte mir erzählt, dass nicht einmal er Einfluss auf Entscheidungen des Papstes hatte. Julius hörte auf keinen Ratgeber und schlug Kardinäle, die es wagten, ihm Ratschläge zu geben oder nicht seiner Meinung waren, mit seinem Stock. Alles, was Il Terribile sich ausdachte, musste unverzüglich in die Tat umgesetzt werden.
Wie sollte ich ihn dazu bringen, seinem Neffen zu vergeben, ihn in die Arme zu schließen, wie Guido es nach dem Mord an Gian Andrea Bravo mit einem maskenhaften Lächeln getan hatte? Das Drama von der ›Rückkehr des verlorenen Sohnes‹ erneut zu inszenieren … gewaltiger als je zuvor! Auf den Stufen von San Pietro!
»Es ist nicht bewiesen, dass Euer Neffe Guido ermordet hat, um Herzog zu werden«, erinnerte ich den Papst.
Wie schwer mir diese Worte fielen!
Es war nicht bewiesen … Glaubte ich, dass Francesco Herzog Guido und meinen Sohn Luca ermordet hatte? Ja. Bedarf der Glaube eines Beweises? Nein. Die Wahrheit ist das, was wir dafür halten …
»Francesco befürchtete, die Gonzaga hätten sich gegen ihn verschworen. Nur aus diesem Grund hat er sich selbst und ohne Euer Placet zum Herzog gemacht! Das hat er mir selbst gesagt«, erklärte ich dem Papst.
»Man kann mir ja viel nachsagen, Raffaello, aber ich bin nicht Papst Alexander! Ich mache keinen Mörder wie Cesare Borgia oder Francesco della Rovere zum Bannerträger …«, donnerte Julius.
»Ist es nicht möglich, dass der Marchese von Mantua Guido ermordet hat?«, unterbrach ich ihn. »Hat Francesco Gonzaga Euch nicht schon vor der Eroberung von Bologna gebeten, ihn anstelle des kranken Guido zum Gonfaloniere der Kirche zu ernennen?«
Julius schnappte nach Luft. Entweder wegen meines unverschämten Tonfalls oder wegen der unglaublichen Idee, die ihm wohl noch nicht in den Sinn gekommen war.
»Wen auch immer Ihr zum Gonfaloniere ernennt, Euer Heiligkeit, Ihr könnt nicht sicher sein, dass nicht einer von beiden Herzog Guido ermordet hat, um genau dieses Ziel zu erreichen. Entscheidet Euch für Euren Neffen Francesco, Heiliger Vater! Er
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