Der Fürst der Maler
Palazzo gezogen und habe am Tisch meiner Auftraggeber gegessen. Ich will jetzt endlich mein eigenes Leben leben! Ich will zur Ruhe kommen. Ich habe mir einen Palazzo gekauft und ihn nach meinen Vorstellungen eingerichtet.«
»Du wohnst nicht im florentinischen Viertel! Die meisten Florentiner haben lieber eine Leiche im Keller als einen Römer als Nachbarn«, warf Alessandro ein.
»Ich bin kein Florentiner, Alessandro! Ich bin fasziniert von Rom. Von der Via Giulia habe ich es nicht weit zum Forum Romanum und zum Colosseum. Ich bin dort, zwischen den antiken Ruinen, sobald ich ein paar Stunden Zeit habe.«
»Der Palazzo Farnese wirkt bescheiden neben der Pracht des Palazzo Santi. Dein Gefolge ist größer als meines als Kardinal.«
»Ich brauche Platz, Alessandro«, sagte ich. »Gian Francesco Penni führt mein Unternehmen von seinem Arbeitszimmer im Piano Nobile aus. Meine Schüler Giulio, Raffaellino, Polidoro und Perino wohnen bei mir, genauso wie Gian Antonio Sodoma und Bastiano da Sangallo. Und wenn mein alter Freund Timoteo Viti aus Urbino in Rom eintrifft, wird auch er einen Raum in diesem Palazzo beziehen.«
»Du hast viele Freunde.«
»Meine Freunde sind meine Familie. Ich habe keine Gemahlin und keine Kinder …«
»Eines Tages wirst du verheiratet sein, Raffaello«, prophezeite Alessandro. »Und eine Hand voll Kinder wird durch diesen Palazzo toben.«
»Ich werde niemals heiraten«, sagte ich ernst. Es klang wie ein Versprechen …
Alessandro grinste. »Du revolutionierst nicht nur die Kunst, Raffaello! Du bist ein Künstler, der wie ein Fürst in einem eigenen Palazzo wohnt, der wie ein Bankier eine eigene Impresa führt und seine Teilhaber an den Gewinnen beteiligt, der wie ein Kardinal im Zölibat lebt. So etwas hat es noch nie gegeben.«
Am 10. Dezember 1508, an demselben Tag, an dem ich als Architekt die Bauleitung der Kirche Sant’ Eligio übernahm, schlossen sich Louis XII . von Frankreich, Ferdinand von Spanien und Kaiser Maximilian zusammen, um dem übermütigen Venedig seinen Platz in der Weltgeschichte zu weisen. Die Liga von Cambrai war neben Monsignor Tommaso Inghiramis unvergesslicher Theateraufführung des Hippolytos von Lucius Annaeus Seneca das Gesprächsthema auf Giovanni de’ Medicis Weihnachtsempfang.
Die Inszenierung fand in der großen Loggia des Kardinalspalastes in der Via di Ripetta statt. Tommaso Inghirami hatte bei Gianni einen Deus ex machina in Auftrag gegeben, den Bastiano und ich gebaut hatten. Mitten in der Aufführung unterbrach ein technischer Defekt der Maschine die dramatischen Dialoge. Monsignor Inghirami sprang auf die Bühne und deklamierte aus dem Stegreif einen Monolog der Phaidra, der Seneca die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. In seinen improvisierten lateinischen Versen wurde sich die Königin Phaidra ihrer schicksalshaften Liebe zu ihrem Sohn Hippolytos bewusst. Inghirami in der Rolle der Phaidra war ein Bild für die Götter! Seine unzweideutigen Anspielungen auf die Affäre zwischen Angela Borgia und Ippolito d’Este trieben uns die Tränen in die Augen.
Kardinal d’Este ertrug die Sticheleien gelassen. Sie waren nichts gegen das, was ihn während seiner Verhandlungen als Kardinallegat des Papstes mit Venedig erwartete. Erfolglos versuchte Ippolito d’Este, den Venezianern Cesare Borgias Festungen in der Romagna, die sich die Serenissima nach dessen Sturz angeeignet hatte, abzuschwatzen. Er schmeichelte und drohte dem Dogen, aber nicht einmal das Donnerwetter des angedrohten Interdikts nützte. Der Löwe von San Marco trotzte der Kirche.
Im März 1509 schloss sich Papst Julius der Liga von Cambrai an, ihm folgten Alfonso d’Este von Ferrara und Francesco Gonzaga von Mantua. Der Krieg war unvermeidlich. Der erste Schuss, den Julius in Richtung Venedig abfeuerte, war der Kirchenbann. Die Venezianer lächelten. Papst Julius tobte. Anfang April übertrug er seinem Gonfaloniere, Herzog Francesco della Rovere, und dem Kardinallegaten Francesco Alidosi gemeinsam den Oberbefehl über das Heer der Kirche.
Kardinal Alidosi war ein Komet am vatikanischen Himmel. Seine Karriere war vom Papst so sehr forciert worden, dass Fama, die römische Göttin des Gerüchtes, von ›freundschaftlichen‹ Beziehungen der beiden sprach. Kardinal Alidosis Spitzname in der Kurie war ›Ganymed‹. Gegen den Willen des Kardinalskollegiums war Alidosi zuerst vom Bischof von Milet zum Kardinal ernannt worden.
Herzog Francesco und Kardinal Alidosi hatten eines
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