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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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riesige Entwurfskarton für das Fresko an der Wand hing, hörte ich ein Geräusch. Schritte, das Rascheln von Papier … der Entwürfe auf dem Werktisch. Ich hatte Giulio gestern gebeten, meine Entwürfe für das Numine Afflatur, das dritte Fresko der Stanza della Segnatura, zu sortieren und zu einem Karton zusammenzuleimen. War er in die Stanza gekommen und schob die Entwürfe zur Seite, um den Werktisch für das gemeinsame Frühstück zu decken? Wir saßen oft morgens beisammen, bevor die anderen kamen.
    Giulio Romano war mein bester Schüler, besser sogar als Gianni. Er war fleißig, hatte Talent und malte bereits nach nur einem Jahr in meinem Atelier wie ich selbst. Zusammen mit Giulio hatte ich das Porträt von Monsignor Tommaso Inghirami gemalt, und ich wusste selbst nicht mehr, welche Teile er gemalt hatte und welche ich. Neben Il Fattore Gianni, der die Geschäfte führte, hielt er die Werkstatt auf Trab. Sogar Gio’, der im April seine Meisterprüfung abgelegt hatte und nun Maestro war, gehorchte ihm widerspruchslos, wenn Giulio die Arbeit organisierte.
    Ganz in Gedanken trat ich einen Schritt zurück, um Diogenes’ Gesicht zu betrachten, und stieß dabei das Farbgefäß auf dem Gerüst um, das polternd zu Boden fiel.
    »Giulio!«, rief ich. »Bist du da? Hole mir die blaue Farbe, bitte!«
    Er kam herüber, schien nach dem richtigen Gefäß zu suchen. Dann reichte er mir wortlos eine Schale hinauf auf das Gerüst.
    »Doch nicht diese Farbe, Giulio! Das ist …« Ich drehte mich um.
    Unter mir blickte Papst Julius in einer einfachen Soutane mit weißer Mozzetta zu mir herauf. »Kardinal Farnese würde dich der Ketzerei anklagen, Raffaello, weil du die päpstliche Unfehlbarkeit anzweifelst«, sagte er. »Wenn der Papst sagt, dass dies blaue Farbe ist, dann ist das so.«
    Er sah müde aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Die drei Monate Krieg hatten ihn erschöpft. Und trotzdem stand er sehr aufrecht vor mir, als würde er noch immer seine Rüstung tragen.
    Ich sprang vom Gerüst. »Dann seid Ihr nicht nur unfehlbar, Heiliger Vater, sondern könnt Wunder tun, wie Jesus Christus Wasser in Wein verwandelte«, konterte ich schlagfertig. »Gestern Abend war es noch gelbe Farbe …«
    Julius lachte amüsiert. Es schien ihm Spaß zu bringen, mich zu provozieren, um zu sehen, wie lange ich ihm Widerstand leistete. »Ich bin die Schlachtpläne und Landkarten des Krieges gegen Venedig leid! Ich bin gekommen, um mir den Entwurf für dein Fresko anzusehen.« Schon seit Weihnachten verzichtete Julius mir gegenüber auf das päpstliche ›Wir‹, wenn er mit mir sprach.
    Ich folgte ihm in den nächsten Raum, wo fünf begonnene Gemälde auf Staffeleien in einer Ecke standen: die Porträts von Kardinal Riario, Kardinal Alidosi, Monsignor Inghirami und dem Dichter Antonio Tebaldeo, und zwei Madonnenbilder, eines für Giovannis Cousin Giulio de’ Medici, eines für Kardinal d’Este. An der einen Wand hingen die Baupläne für Sant’ Eligio, an der anderen Wand lehnte in einem Holzrahmen der Entwurfskarton für das Fresko in Originalgröße.
    »Ist das noch eine Disputà ?«, fragte Julius, als er auf den Karton deutete. »Ein Disput zwischen Philosophen und Theologen?« Als ich nicht antwortete, trat er näher an den Karton heran. »In der Sixtina malt Michelangelo den Menschen ohne jede Perspektive. Nur den Menschen vor Gott. Du stellst deine Figuren in den tiefen, mathematisch konstruierten Raum einer Kathedrale. Das ist San Pietro!« Er ging einen Schritt auf das Bild zu. »Wie nennst du dieses Bild? Die Stoa von Athen? «
    »Nein, Heiliger Vater! Ich nenne es: Causarum Cognitio – Die Erforschung der Ursachen .« Das war die Inschrift der Bronzetafeln, die die Putti der Philosophie oberhalb der Wand hielten.
    »Ein passender Titel für dieses Werk, Raffaello! Im Zentrum des Bildes stehen die bedeutendsten Philosophen der Antike, Platon und Aristoteles, in ein Gespräch vertieft. Platon trägt sein Buch Timaios unter dem Arm, das vom Ursprung und dem Schöpfer des Kosmos handelt, Aristoteles hält sein Buch Ethica in der Hand, das das menschliche Verhalten behandelt. Platons Finger zeigt nach oben, auf die Quelle der göttlichen Inspiration, auf das Reich der Ideen, während Aristoteles auf die Erde zeigt, dem Ausgangspunkt aller naturwissenschaftlichen Studien. In diesen beiden einfachen Gesten ist die Essenz ihrer beiden Lehren enthalten, Raffaello! Wie schaffst du es nur, eine ganze Philosophie in einer

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