Der Fürst der Maler
purpurfarbene Soutane gewesen, die der Maskierte unter dem Mantel getragen hatte.
Auch wenn ich Alessandro gerne bewiesen hätte, dass mein Wille zu überleben noch nicht gebrochen war, ließ ich mich auf den Hocker sinken, den man hinter mich geschoben hatte. Ich war zu schwach, um aufrecht zu stehen.
»Würdest du mir heute sagen, warum ich hier bin, Alessandro?«, fragte ich mit vor Durst krächzender Stimme. Meine Kehle war so ausgetrocknet, dass ich husten musste. »Bei deinem letzten Besuch zum Plauderstündchen in meinem Salone warst du nicht sehr gesprächig.«
Das Wort – der beißende Spott – war mir als einzige Waffe geblieben!
»Du bist hier, weil verschiedene Anklagepunkte gegen dich vorliegen, Raffaello. Das Tribunal ist einberufen worden, um ein Urteil über dich zu fällen. Und du wirst mich gefälligst mit ›Euer Eminenz‹ ansprechen«, forderte Alessandro kalt.
»Welche Anklagen sind das?«, fragte ich, während ich nach einem Becher Wasser griff, der mir gereicht wurde. Gierig trank ich ihn in einem Zug aus.
»Verstoß gegen den Zölibat, sexueller Umgang mit Ungläubigen, Sodomie, Simonie, Schwarze Magie, Beschäftigung von Juden, Huldigung der vom Laterankonzil verdammten heidnischen Philosophien. Ketzerei. Und Satanskult.«
»Ist das schon alles? Mehr ist dir nicht eingefallen?«, fragte ich spöttisch. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vom Hocker zu fallen. Jeder einzelne dieser Anklagepunkte konnte mein Todesurteil bedeuten! »Was sagt Seine Heiligkeit zu diesen Beschuldigungen gegen mich?«
»Nichts. Julius kann nicht mehr sprechen. Seine Kraft reicht nicht einmal mehr für ein Ego te absolvo. Er stirbt, Raffaello.«
Ich schwieg betroffen. Wenn Julius starb, war ich verloren.
Alessandro Farnese stellte mir der Reihe nach die Monsignori des Tribunals vor. Ich kannte keinen von ihnen.
Dann begann der Kardinal mit meiner Befragung: »Kennst du ein Mädchen namens Aisha?«, fragte er im Plauderton. Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen stand er vor mir, als hätten wir uns eben erst auf einem Bankett freundschaftlich begrüßt.
Natürlich kannte ich Aisha! Agostino hatte mir das Mädchen aus Alexandria geschenkt. Ich nahm an, dass Alessandro mit dem Anklagepunkt des Zölibatsbruchs beginnen wollte. Ich war Monsignore, aber nie zum Priester geweiht worden. Also hatte ich auch nie die Enthaltsamkeit gelobt. Worauf wollte er hinaus?
»Aisha arbeitet in meinem Palazzo«, antwortete ich wahrheitsgemäß und trank einen Schluck aus dem gefüllten Becher. Ich fühlte mich jetzt ein wenig besser.
»Sie ist deine Sklavin«, korrigierte er mich.
»Sie ist meine Dienerin. Ich habe sie freigelassen«, erklärte ich.
»Warum?«
»Weil es mir so gefiel.«
»Weil sie dir so gefiel. Du hast sie in dein Bett befohlen.«
»Ich habe sie nicht befohlen. Es hat sich so ergeben …«
»… so ergeben?«, echote Alessandro spöttisch.
Mit einem ähnlich selbstgefälligen Gesichtsausdruck muss die Schlange Eva verführt haben, nach der verbotenen Frucht zu greifen! Alessandro wollte mich zu Aussagen verführen, die ich nicht machen wollte.
»Mein Gott, Alessandro, hast du nicht schon einmal mit einem jungen Mädchen in einer dunklen Loggia dein Vergnügen gehabt?«, rief ich mit gespielter Unschuld.
Die Monsignori lachten. Kardinal Farneses Affären waren im Vatikan bekannt.
Alessandro warf ihnen einen gereizten Blick zu, doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Mein vertrauliches Du ignorierte er. »Nicht mit einer dunkelhäutigen Schönheit«, gestand er lächelnd. Er wusste, dass er diesen Spielzug verloren hatte. Aber es sollten noch so viele kommen, bis dieser Zweikampf beendet war! »Woher kommt das Mädchen?«, fragte er und spielte den höflich Neugierigen.
»Aus Alexandria«, erklärte ich.
»Seit wann besitzt du sie?«
»Seit Weihnachten letzten Jahres.«
»Wann hast du sie taufen lassen?«
Das war es! Damit wollte er mich in die Falle locken. »Ich habe sie nicht taufen lassen«, gestand ich.
»Als Scriptor Brevium solltest du wissen, dass ungläubige Sklaven drei Tage nach der Ankunft getauft werden müssen«, lächelte Alessandro siegesgewiss. Obwohl ich Scriptor war, hatte ich nicht einmal Grundkenntnisse des kanonischen Rechts.
»Nur mit Zustimmung«, klärte ich ihn auf.
»Sie wollte es nicht?«, lauerte Alessandro mit seinem Paradiesschlangenlächeln.
» Ich wollte es nicht!« Deshalb hatte ich meinen Freund Paris de Grassis gebeten, diesen
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