Der Fürst der Maler
Passus im Kirchengesetz für mich nachzuschlagen.
Alessandro sah mich wegen meines unverhofften Geständnisses so verblüfft an, dass er beinahe seine nächste Frage vergaß. »Du wolltest sie nicht taufen lassen? Warum nicht?«
»Als getaufte Christin hätte sie den Koran nicht mehr in die Hand nehmen dürfen.« Das wusste ich von einem muslimischen Kaufmann in Trastevere. »Ich wollte aber, dass sie ihn für mich übersetzt.«
Alessandro war für einen Augenblick sprachlos. Dann brüllte er los: »Du verdammter Ketzer! Du Ungläubiger! Du verbreitest gefährliche Ideen! Was wirst du als Nächstes an die Wände des Vatikans malen? Mohammed? Buddha?«
»Wenn du als nächster Papst noch Geld von den Bestechungen übrig hast, könnten wir darüber reden. Ich kann dir ein paar Entwürfe vorlegen. Oder sind die Schatzkisten der Farnese und der Orsini leer, und du wirst womöglich gar nicht Papst?«
Mein höhnischer Tonfall ließ ihn seine Selbstbeherrschung vergessen. »Du Bastard«, brüllte er. »Du verdammter …«
Alessandro war ein gefährlicher Gegner. Ich musste das Tribunal für mich gewinnen. Das konnte ich nur, wenn ich über ihn triumphierte – mit Worten.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du das Wort Bastard als Schimpfwort benutzt, Alessandro«, unterbrach ich ihn. »Deine vier Kinder von Silvia Ruffini sind doch alle nicht ehelich gezeugt worden. Und all die anderen in Pisa, Florenz und Rom sind ebenfalls Bastarde.«
»Du …«, drohte er mir mit hochrotem Kopf. »Du Sodomit willst mich belehren …«
Ich lachte herausfordernd. Seine Anschuldigungen waren lächerlich. Aber gefährlich!
»Mit wem soll ich noch geschlafen haben – außer Aisha?«, fragte ich in einem herablassenden Tonfall.
Würde er mir meine Affäre mit Eleonora vorwerfen? Oder die mit der Contessa Felice? Das würde er nicht wagen! Nicht solange Julius lebte.
»Mit Leonardo da Vinci«, fauchte Alessandro.
»Du hast eine blühende Fantasie«, konterte ich. »Du hättest nicht Kardinal werden sollen, Alessandro, sondern Dichter. Du könntest Petrarca Konkurrenz machen.«
»Du hast dich ihm in Florenz hingegeben«, beschuldigte mich Alessandro mit vor Wut zitternder Stimme, ohne auf meine Beleidigung einzugehen. Die Maske seiner Selbstbeherrschung war verrutscht. »Es gibt einen Zeugen.«
»Warum hätte ich mich Leonardo hingeben sollen?«
»Als Dank, weil er dich seine Schwarze Magie gelehrt hat.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Schwarze Magie?
Wusste Alessandro, dass ich in Florenz zusammen mit Leonardo und Fra Bartolomeo Leichen seziert hatte? Dass Leonardo mich in einige seiner alchemistischen Geheimnisse eingeweiht hatte? Scheinbar nicht, denn er fuhr mit der Anklage der Sodomie fort: »Und auch Michelangelo, dieser verdammte Invertido, hat mit dir geschlafen.«
»Michelangelo und ich sind gute Freunde …«, wandte ich ein.
»Ja, ich weiß. Ihr seid so gute Freunde, dass du ihm den Titel eines Conte verschafft hast. Dafür hat er sich erkenntlich gezeigt.«
»Ich habe ihm den Titel nicht ›verschafft‹, Alessandro! Papst Julius hat mich gefragt, wie er Michelangelo über die großzügige Bezahlung für die Sixtina hinaus auszeichnen kann. Wie er ihm eine Freude machen kann …«
»Das ist Simonie«, unterbrach mich Alessandro. »Ämterhandel!«
»Und wie nennst du es, wenn du Pier Luigi das Amt eines Scriptor Brevium kaufst? Dein Sohn ist erst zehn, Alessandro«, konterte ich.
Bevor Alessandro antworten konnte, wandte ich mich an das Tribunal und forderte selbstbewusst: »Ich beantrage, dass Anklagepunkte wie Simonie und Sodomie gegen mich fallen gelassen werden! Denn mein Ankläger und Richter …« Ich deutete mit dem ausgestreckten Arm auf Alessandro Farnese. »… ist befangen und hat sich selbst der Bestechung, des Ämterhandels sowie der Verletzung des Zölibates schuldig gemacht.«
Alessandro kochte vor Wut, als die Monsignori hinter dem Tisch die Köpfe zusammensteckten. Schließlich nickte einer von ihnen und sagte: »Einverstanden, Monsignor Santi. Diese Punkte werden aus dem Gerichtsprotokoll gestrichen.«
Welches Protokoll?, fragte ich mich insgeheim. Keiner der Scriptores, die mit offenem Mund meine Auseinandersetzung mit Kardinal Farnese verfolgt hatten, schrieb auch nur ein Wort nieder. Was für ein Prozess! Ich hatte ja nicht einmal einen Verteidiger! Das Urteil stand also ohnehin bereits fest. Alessandro Farnese, mein Richter und Henker, hatte es gefällt. Schon vor Monaten, nach
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