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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Kapelle war die verkleinerte Kopie meines Entwurfes der Kuppel für San Pietro – so wie ich mir die vollendete Kathedrale vorstellte. Als Giovanni die Entwürfe sah – ich hatte sie ihm während eines Abendessens zu zweit in seinen Räumen gezeigt – zog er die Stirn in Falten. Am nächsten Morgen hatte er Donato Bramante zu sich bestellt und ihm befohlen, die Pläne für die Kuppel von San Pietro zu überarbeiten …
    Donato hatte getobt! Er, der Ingenio der Architektur, der Bauleiter von San Pietro, musste sich von mir belehren lassen! Giuliano da Sangallo hatte sich bemüht, die Wogen zu glätten. Sebastiano Luciani hingegen sorgte für weiteren Wirbel: Er nahm regelmäßig an den Künstlertreffen in Donatos Wohnung teil und ließ keine Möglichkeit unversucht, mich in eine Schlammschlacht von Lügen, Verleumdungen und Skandalen hineinzuziehen, gegen die ich mich nicht wehren konnte.
    Schließlich hatte Sebastiano Luciani seinen Feldzug gegen mich in die Entscheidungsschlacht geführt: Er hatte sich bei Papst Leo um die dritte Stanza beworben, für die ich Giovanni bereits die ersten Entwürfe vorgelegt hatte: den Brand im Borgo und die Seeschlacht von Ostia. Sebastiano Luciani hatte diese Schlacht verloren: Der Auftrag für die Stanza dell’Incendio war mir zugesprochen worden. Aber Sebastiano Luciani hatte auch gewonnen: die Aufmerksamkeit des Papstes!
    Die Pläne der Cappella Chigi rollte ich wieder zusammen und steckte sie in die Satteltaschen meines Pferdes. Dann trabte ich mit den Schweizern die Via di Ripetta hinab, am Mausoleum des Augustus und am Pantheon vorbei, in Richtung Kapitol. Wir wandten uns nach links in die Via Papalis, überquerten die Piazza Venezia und ritten an den Kaiserforen vorbei zum Esquilin.
    An den Thermen des Trajan zügelte ich mein Pferd und stieg ab. Aus den Satteltaschen holte ich meinen Skizzenblock, die Zeichenstifte und mehrere Pechfackeln, die ich mit einem Zündstein in einen Rucksack steckte.
    Die Schweizer legten sich ins warme Gras und genossen die warme Oktobersonne. Sie wussten, dass mein Aufenthalt im Domus Aurea einige Stunden dauern konnte, und warteten bei einem Kartenspiel oder einem Duell mit dem Schwert, bis ich fertig war.
    Am Einstieg in die Grotten des Domus Aurea, des verschütteten Palastes des Kaisers Nero, der den Trajansthermen als Fundament diente, setzte ich mich auf eine umgestürzte Säule und zeichnete die Ruinen im Licht der warmen Oktobersonne.
    Ich weiß nicht, wie lange ich in Gedanken gesessen und die Ruinen angestarrt hatte, als ein Schatten über die begonnene Zeichnung fiel. Die Schweizer lachten. Ich sah auf.
    Im Gegenlicht der Abendsonne erkannte ich einen Mann im langen, rosafarbenen Mantel, der sich als Platon in Positur stellte: Den Zeigefinger der rechten Hand hatte er zum Himmel erhoben, mit der linken Hand raffte er den Mantel, den Kopf hatte er nach links gedreht.
    Er war Platon, wie ich ihn in der Stanza della Segnatura gemalt hatte!
    »Leonardo!«, rief ich erfreut. »Du bist in Rom?«
    Leonardo da Vinci ließ die dramatisch erhobene Hand sinken und stieg die Stufen herab, auf denen er sich so herrlich in Szene gesetzt hatte. Er kam zu mir herüber, schloss mich in die Arme und küsste mich auf die Lippen: »Ich hasse es, Briefe zu schreiben. Ich dachte, ich komme lieber selbst. Ich freue mich, dich zu sehen, Raffaello mio. «
    »Wie geht es dir?«, fragte ich, als er sich neben mich auf die Säule setzte.
    Leonardo war alt geworden. Das feine Lächeln der Madonna Lisa konnte nicht über seine Verbitterung über das unvermeidliche Altern seines Körpers hinwegtäuschen. Seine schulterlangen Haare und sein fast bis zum Gürtel reichender Bart waren weiß geworden, die blauen Augen hatten ihren Glanz verloren. Er trug eine geschliffene blaue Brille mit einem Gestell aus Metall, das ein geschickter Goldschmied für ihn angefertigt hatte. Die Augen kniff er zusammen, als würden die weichen Strahlen der goldenen Oktobersonne ihm Qualen bereiten. Sein Körper litt unter dem Alter, nicht jedoch sein messerscharfer Verstand. Er lächelte mich schelmisch an wie ein Fünfjähriger, der im Begriff ist, einem Erwachsenen einen Schreck einzujagen. »Furchtbar! Ich habe keine Aufträge. Und wie geht es dir?«
    »Furchtbar! Ich habe zu viele Aufträge«, gestand ich.
    »Davon habe ich gehört«, grinste Leonardo. »Ich war in den Stanzen und habe um eine Audienz bei dir nachgesucht. Perino del Vaga hatte die Frechheit zu fragen, wer ich

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