Der Fürst der Maler
sagte ich. »Du bist nur für dein eigenes Leben verantwortlich, nicht für meines. Tu, was du für richtig hältst.«
»Es tut mir Leid, Raffaello«, schluchzte sie. Sie reichte mir die Hand, die ich ergriff. »Ich liebe dich.«
»Liebst du ihn ?«, fragte ich.
»Nein …«
»Dann tust du mir Leid, Eleonora«, sagte ich leise.
Sie weinte, als wir uns in dieser Nacht liebten. Zum letzten Mal.
Am nächsten Morgen packte sie ihre Truhen und zog bis zur Abreise nach Urbino in den Palazzo della Rovere.
Den Sommer über wohnte ich abwechselnd in meiner Villa in den Weinbergen des Pincio, in der Villa Chigi an der Via della Lungara oder in der Villa Magliana, der päpstlichen Residenz westlich von Rom.
Mein Palazzo in der Via Giulia war nach Eleonoras Weggang unerträglich leer. Mir fehlte ihr Lachen, ihre Zärtlichkeit, ihre Anwesenheit – trotz der Ablenkung der täglichen Maskenbälle und Bankette bei Kardinälen und Monsignori, den großartigen Theateraufführungen von Ariosto, Bembo und Castiglione im Vatikan, den Pferderennen auf der Piazza Navona und den anderen ungezählten panes et circenses in Rom.
Agostino Chigi war über die Verschwendungssucht des Papstes ebenso besorgt wie Taddeo, der sich im Mai einen großartigen Palazzo in der Via Giulia gekauft hatte und seit einigen Wochen mein neuer Nachbar war.
»Papst Leo kann mit Geld ebenso wenig umgehen wie eine hungrige Maus mit Käse«, sagte Taddeo eines Abends, als wir in seiner Bibliothek eine Partie Cricca spielten. »Wenn er weiter die Dukaten mit vollen Händen aus den Fenstern des Vatikans wirft, ist das Medici-Unternehmen Kirche in zwei Jahren bankrott. Nicht einmal Papst Alexander hat so viel Geld ausgegeben wie Papst Leo in den vier Monaten seit seiner Krönung. Agostino Chigi schafft es nicht schnell genug, die Ablassbriefe drucken zu lassen, wie der Papst sie verkauft, um seine Launen zu finanzieren …«
Launen! Das war unter ungezählten anderen Kapriolen der Beutel mit Golddukaten, den Giovanni während seiner Papstaudienzen oder Bankette stets bei der Hand hatte, um daraus zu verteilen, ohne nachzuzählen. Eine seiner Launen war auch der kostspielige Unterhalt der Sapienza, der Universität von Rom, und die Anwerbung weltberühmter humanistischer Gelehrter und Professoren für die altgriechische Sprache, die fortan an der Sapienza gelehrt wurde. Zudem vergrößerte er die vatikanische Bibliothek mit seltenen Handschriften und ließ die umfangreiche Medici-Bibliothek von San Marco in Florenz in den Vatikan überführen. Und er veranstaltete aufwändige Bankette, um die Kardinäle bei Laune zu halten – und zu beschäftigt, als dass sie an eine Fortsetzung des Laterankonzils dachten …
Taddeo war von Florenz nach Rom umgezogen. Julius’ Tod hatte ihn beinahe in den Ruin getrieben: Er hatte einen großen Teil seines Vermögens auf die della Rovere gesetzt und war der eigentliche Verlierer der Rückkehr der Medici nach Florenz und Giovannis Inthronisation als Papst Leo. Er hatte mit Agostino Chigi, der auch der Bankier des neuen Papstes war, eine Art Waffenstillstand geschlossen. Ich fragte mich: für wie lange? Und: Wie war nach Eleonoras Rückkehr nach Urbino sein Verhältnis zu Francesco della Rovere, in den er nach wie vor verliebt war? War Taddeo wegen Eleonora nicht nach Urbino, sondern nach Rom gezogen? Nicht einmal Fioretta, mit der ich hin und wieder am Tiber spazieren ging, wenn Taddeo auf einer seiner Geschäftsreisen nach Paris, Constantinopolis oder Alexandria war, wusste darauf eine Antwort …
Nicht nur Taddeo Taddei, auch Baldassare Castiglione, der als Botschafter von Urbino in Rom geblieben war, war mir in diesem Sommer ein guter Freund geworden. Francesco hatte ihm schließlich den Titel verliehen, den ich ausgeschlagen hatte: Baldassare Castiglione wurde zum Conte da Novilara ernannt. Ich malte sein Porträt im Juni 1513.
Baldassare schleppte mich zu den Abendveranstaltungen der Literaten und machte mich mit befreundeten Dichtern und Schriftstellern bekannt, um mich nach Eleonoras Weggang auf andere Gedanken zu bringen. Kardinal da Bibbiena und Monsignor Pietro Bembo nahmen ebenfalls an diesem ›nächtlichen Humanisten-Sabbat‹ teil – so nannte Baldassare scherzhaft die Treffen in Anlehnung an die Wortwahl des Laterankonzils und die Kommentare zur ›Hexenbulle‹ Papst Innozenz’ VIII .
Felice nahm regelmäßig an den Abendessen bei Castiglione, Bembo und den anderen Dichtern teil. Sie schrieb selbst
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