Der Fürst der Maler
Durcheinander: Es war Viehmarkt! Die Bauern der Umgebung hatten ihre Pferde, Kühe und Schweine nach Urbino gebracht, um sie hier zu verkaufen oder schlachten zu lassen. Aber auch Lämmer, Gänse, Tauben und Perlhühner wurden angeboten. Da am Stadttor auf alle Erzeugnisse Zoll erhoben wurde, bauten die Bauern ihre Obstkörbe und Gemüsestände außerhalb der Stadtmauern auf.
Am Stadttor wurden wir kontrolliert, aber sofort durchgelassen, als man mich erkannte. Bis zum Haus meines Vaters, das ich nach seinem Tod geerbt hatte, waren es nur wenige Schritte die enge Gasse hinauf. Gianni und ich sprangen von den Pferden und banden die Zügel vor der Casa Santi fest. Das wenige Gepäck, das wir mit uns führten, war schnell abgeladen.
Wieder zu Hause! Ungeduldig rannte ich die gewundene Treppe hinauf in den ersten Stock, wo die Wohnräume lagen: das Speisezimmer mit dem kleinen Fresko der Madonna mit Kind, das ich als Achtjähriger zwei Monate vor dem Tod meiner Mutter gemalt hatte, das Arbeitszimmer meines Vaters und das Schlafzimmer meiner Eltern.
Meine Schritte hallten, als ich in allen Räumen die Innenläden und die Fenster öffnete, um Licht und Luft ins Haus zu lassen. Onkel Bartolomeo hatte, nachdem er den Prozess um die Casa seines Bruders verloren hatte, kurzerhand alle Möbel der Familie Santi in sein Haus bringen lassen. Mein Onkel hatte mich nach meinem Weggang nach Perugia zu Maestro Pietro auf Herausgabe des Hauses verklagt, obwohl ich Giovanni Santis ehelicher Sohn aus seiner Ehe mit Magia Ciarla und damit sein rechtmäßiger Erbe war. Onkel Simone, der Bruder meiner Mutter, hatte dafür gesorgt, dass mein Bett, ein Tisch und ein paar Stühle in der Küche, eine Kredenz, ein Betstuhl und ein Gemälde meines Vaters zurückgebracht wurden. Die Messingleuchter für die Wohnräume hatte Onkel Bartolomeo behalten. Seit dem Prozess hatte ich kein Wort mehr mit meinem Onkel gewechselt.
Gianni schleppte unsere Kisten und Taschen ins erste Stockwerk, wo sich auch die Küche befand.
Mit großen Augen sah er sich um: »Jetzt weiß ich, dass du die Kunst der Perspektive nicht bei deinem Vater gelernt hast, Maestro«, lästerte er grinsend. »Keine Wand ist gerade. Hinter jeder Tür offenbaren sich neue Herausforderungen für das Auge: schräge Wände, spitze Winkel, kleine Treppen, die nirgendwohin zu führen scheinen, versteckte Nischen, versetzte Ebenen, ein Innenhof. Nichts ist offensichtlich, oder wie man es erwarten würde.«
»Es ist kein Palazzo …«, gestand ich. »Und wir werden uns ein Bett teilen müssen, Gianni.«
Gianni nahm es wie immer gelassen. Er versprach, im Haus für Ordnung zu sorgen und die Bottega meines Vaters herzurichten, während ich zum Palazzo Ducale hinaufging. Bis zu meiner Rückkehr wollte er auf dem nahen Markt vor der Kirche San Francesco einkaufen und für uns zu kochen.
»Du kannst den Tisch für drei Personen decken, mein Junge, denn dein Maestro hat heute Abend einen Gast«, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir in der Tür. »Mich!«
»Timoteo!«, rief ich erfreut aus und umarmte ungestüm Timoteo Viti, meinen ersten Maestro.
Timoteo hatte sein Haus und seine Bottega nur wenige Schritte entfernt auf dem Pian del Monte. Er hatte die offenen Fensterläden in der Casa Santi bemerkt und war hereingekommen, wie er es früher bei meinem Vater Giovanni getan hatte.
»Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, mein Junge« Timoteo drückte mich an sich. »Ach, was rede ich: Du bist kein Junge mehr, Raffaello! Du bist erwachsen geworden.« Timoteo betrachtete mich kritisch von oben bis unten. »Und dünn … Geben sie dir in Florenz nichts zu essen?«
»Doch, doch, Timoteo: Es gibt drei Mahlzeiten am Tag. Gianni sorgt dafür, dass ich nicht verhungere.«
»Und nun ist es dir in Florenz zu langweilig geworden? Du sollst mit Sandro Botticelli, Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci befreundet sein. Und dich mal wieder mit Pietro Perugino herumstreiten … Du musst mir alles erzählen, Raffaello!«
Ich lud Timoteo zum Abendessen ein und versprach, ihm ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht zu erzählen: die Geschichte vom unbekannten jungen Maler, den sein Ehrgeiz in die große Stadt Florenz trieb.
Während Timoteo Gianni beim Herrichten der Werkstatt half, schlenderte ich durch die Gassen von Urbino, vorbei an San Francesco, wo mein Vater begraben lag, dem Blumenmarkt auf der kleinen Piazza vor der Kirche, über den Pian di Mercato mit den Ständen, die sich unter
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