Der Fürst der Maler
verführerischen Brüste. Dann küsste sie mich.
»Ich liebe dich, Raffaello«, flüsterte sie in mein Ohr. »Und ich werde dich immer lieben. Wen auch immer ich heiraten muss.«
Ich lag im Schilf und starrte in den Himmel.
Was versuchte sie mir zu sagen? Sie würde mich verlassen, wie Felice mich verlassen hatte. Ich würde wieder allein sein. Es schien unvermeidlich.
Taddeo hatte Recht: Der Mensch ist nicht frei. Niemals. Er fesselt sich an seinen Besitz und den Menschen, den er liebt. Er bindet sich. Und er hält fest. Statt Liebe zu geben, statt sich selbst zu verschenken, nimmt er. Er nimmt die Freiheit des anderen, um ihn nicht zu verlieren, um nicht allein zu sein. Und einsam.
»Komm mit mir nach Mantua! Werde Hofmaler des Marchese! Meine Mutter Isabella d’Este würde für Gemälde und Marmorskulpturen einen Krieg anfangen. Wenn ich verheiratet bin, werde ich dich an meinen Hof mitnehmen. Als meinen Lieblingsmaler. Und als meinen Liebhaber«, flüsterte Eleonora.
Mit ihrem Kuss glaubte sie mich überzeugt zu haben.
Jeder andere Maler hätte seine rechte Hand geopfert, um für Isabella d’Este, die ein Dichter die Prima Donna Italiens nannte, malen zu können. Jeder andere Mann hätte sich kastrieren lassen, um ihre Tochter Eleonora lieben zu dürfen, um ihr nach Mantua zu folgen und bis ans Ende der Welt.
Ich wollte geliebt werden! O Gott, wie sehr ich mich danach sehnte, geliebt zu werden! Aber ich wollte nicht in einen goldenen Käfig gesperrt werden. Nicht als Maler und nicht als Liebhaber.
Ich erhob mich und richtete meine Kleidung. Und sagte nichts. Kein Wort. Schweigend brachte ich sie zum Kloster von Santa Croce. Wie fast ein Jahr zuvor Felice della Rovere, die gegen ihren Willen mit Gian Giordano Orsini vermählt worden war.
Wenn ich Eleonora doch nur gefragt hätte, wen sie nach dem Willen des unfehlbaren Marchese heiraten sollte!
Und doch … was hätte ich anders getan, wenn ich es gewusst hätte?
»Du liebst sie also?«, fragte Giovanni de’ Medici am selben Abend.
Warum bloß hatte ich gehofft, dass er mich verstehen könnte? Ein Kardinal! Was wusste Giovanni von der Liebe?
»Ja, ich liebe Eleonora«, antwortete ich ungeduldig, ohne meine Wanderung durch die Cappella dei Magi zu unterbrechen.
»Ja, und?«, fragte er ebenso ungeduldig. »Warum hältst du beim Marchese von Mantua nicht um ihre Hand an?«
»Ich bin kein Medici wie du, Giovanni! Warum sollte Francesco Gonzaga mir die Hand seiner Tochter geben?«
»Warum sollte er sie dir verweigern? Wo seine Tochter dir längst mehr als nur ihre Hand gegeben hat?«
»Ich bin ein Niemand!« Ich sank neben ihm auf den Betstuhl vor Filippino Lippis Altarbild und barg mein Gesicht in den Händen.
Giovanni lachte, als hätte ich einen Scherz erzählt. »Ein Niemand, Raffaello? Du bist der beste Freund von Francesco della Rovere, dem künftigen Herzog von Urbino. Du warst der Geliebte der Contessa Felice Orsini, der Tochter des Papstes. Du bist der Vertraute von Kardinal Giovanni de’ Medici, dem nächsten Papst. Und du bist der Liebhaber von Eleonora Gonzaga, der Tochter des Marchese von Mantua. Zufällig bist du auch noch einer der teuersten Maler von Florenz. Selbst ein Medici kann sich dich kaum leisten. Ein Niemand!«
Ich ignorierte seine spitze Bemerkung über die Summe, die ich für das Madonnenbildnis von ihm gefordert hatte. Ich hatte Taddeos Rat beherzigt und den Preis meiner Bilder verzehnfacht, seit die Reichen und Mächtigen, die Strozzi und Pazzi, die Doni und Pitti, in meiner Bottega verkehrten, als sei meine Werkstatt der eleganteste Salone von Florenz.
»Du bist kein Niemand, Raffaello. Du bist mehr wert als die d’Este und Gonzaga und della Rovere. Sie haben ihren Namen geerbt, du hast ihn dir erarbeitet. Ihre Reputation stützt sich auf Intrige und Giftmord, dein Name wird in einem Atemzug mit Leonardo und Michelangelo genannt. Mein Vater, Il Magnifico, wäre stolz gewesen, dein Maecenas zu sein, Raffaello!«
»Felice della Rovere und Eleonora Gonzaga haben mich verlassen, um einen anderen zu heiraten«, wandte ich gereizt ein.
»Der Lorbeerkranz des erfolgreichen Künstlers steht dir besser als der Mantel aus Selbstmitleid. Auch wenn er bequemer ist und im Gegenwind des Schicksals warm hält«, sagte Giovanni mit der Erbarmungslosigkeit eines Medici. Stöhnend erhob er sich vom Betstuhl, der unter seinem Gewicht knarrte. Umständlich glättete er seine rote Kardinalssoutane. »Ich werde morgen nach Rom
Weitere Kostenlose Bücher