Der Fürst der Maler
mein Freund ist?«
»Du könntest abdanken«, scherzte ich, »und dich ganz deinen ›naturwissenschaftlichen Studien‹ widmen.«
Francesco grinste und legte mir seinen Arm um die Schultern. »Abdanken? Hat Machiavelli dich in Florenz zum Republikaner bekehrt? Andererseits … es klingt verführerisch! Aber auf den Schlachtfeldern Italiens ist mehr Ruhm zu erringen als in den Betten der schönsten Mädchen von Urbino.«
»Deine Eroberungszüge durch die nächtlichen Gassen werden bald enden, wenn du erst verheiratet bist«, prophezeite ich.
»Nichts wird sich ändern, Raffaello!«, grinste er. » Per procura bin ich seit März verheiratet. Die Zeremonie fand im Vatikan statt. Weder meine Cousine noch ich waren anwesend. Ich weiß nicht einmal, wie sie aussieht.«
»Sollte es mit dem Herzogstitel nicht klappen, hättest du gute Chancen, dich als Nachfolger der Pythia beim Orakel von Delphi zu bewerben. Dein letzter Brief war derart rätselhaft, dass ich immer noch nicht weiß, wer die Unglückliche ist, die dich Herzensbrecher zum Gemahl bekommt.«
»Eleonora Gonzaga, die Tochter des Marchese von Mantua. Sie soll tatsächlich unglücklich sein. Weiß der Himmel, was sie über mich gehört hat.«
Eleonora! Meine Eleonora sollte Francesco heiraten!
»Nur die Wahrheit, vermutlich«, murmelte ich undeutlich.
Ich war nicht mehr Herr meiner Gedanken. Meine geliebte Eleonora heiratete meinen besten Freund – und ich sollte die Hochzeit ausrichten! Die Erde bebte unter meinen Füßen. Der Treibsand, auf dem ich stand, begann zu rutschen.
»Die Wahrheit, Raffaello? Was ist die Wahrheit? Sie liebt mich nicht, und ich liebe sie nicht. Ich habe sie ja noch nie gesehen. Und trotzdem werden wir in fünf Wochen verheiratet sein. Lebenslänglich! Wahrscheinlich ist sie hässlich und hat schlechte Manieren. Wie alle aus dem Gonzaga-Clan.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist schön. Und sie hat gute Manieren«, verteidigte ich meine Geliebte.
Francesco sah mich verblüfft an. »Du kennst Eleonora Gonzaga?«
Sollte ich Francesco erzählen, dass sie in Florenz meine Geliebte gewesen war? »Sie ist die Tochter von Isabella d’Este, der schönsten Frau Italiens. Und sie ist die Tochter von Francesco Gonzaga, der seinen Hof wie ein Heerlager führt. Also ist sie schön und hat gute Manieren. Per definitionem potentiae .«
Francesco lachte und warf seine blonden Locken zurück. »Eines Tages werde ich dich nicht nur zu meinem Hofmaler, sondern auch zu meinem Diplomaten an den Fürstenhöfen Italiens ernennen. Und nun komm in mein Studiolo! Wir haben viel zu besprechen …«
Es sollte das glanzvollste Fest werden, dass je in Urbino gefeiert wurde. Die Gästeliste umfasste mehr als hundert hochrangige Personen, allen voran die stolzen Eltern der Braut: Francesco Gonzaga und Isabella d’Este. Eleonoras Onkel, Herzog Alfonso d’Este von Ferrara hatte mit seiner hochschwangeren Gemahlin Lucrezia Borgia die Einladung nach Urbino dankend angenommen. Die Republik Florenz wurde von Niccolò Machiavelli vertreten, weil Piero Soderini an der Malaria erkrankt war.
Papst Julius hätte seinen Neffen gerne selbst getraut, lag aber – wie man sich in den Vorzimmern des Palazzo Ducale hinter vorgehaltener Hand zuflüsterte – mit einem Anfall des Syphilis-Fiebers im Bett und war daher im Sinne des Wortes außer Gefecht gesetzt. Kardinal Alessandro Farnese sollte an seiner Stelle die Trauung des jungen Herzogspaares vornehmen.
Viele der anderen Gäste waren bereits in Urbino eingetroffen: der Venezianer Pietro Bembo, der Verfasser der Asolani, der Mantuaner Schriftsteller und Diplomat Baldassare Castiglione.
Es war unglaublich viel zu tun! Jede Facette meines Könnens wurde herausgefordert!
Als Maler war ich nicht nur verantwortlich für die Porträts des jungen Herzogpaares, sondern auch für die Bühnenbilder und die Inszenierung der Theaterstücke, die während der Feierlichkeiten aufgeführt werden sollten. Als Architekt entwarf ich Triumphbögen aus Pappmaché und ließ die Straßen und Gassen der Stadt mit gewagten Konstruktionen aus Blumengirlanden verzieren. Als Bildhauer formte ich die Bäume und Büsche des Palastgartens zu allegorischen Figuren der Liebe und der Treue, die Michelangelo zum Lachen gebracht hätten. Ich organisierte die Turniere vor den Toren der Stadt. Außerdem stimmte ich die Speisenfolge des Banketts mit dem Küchenchef des Palastes ab, gab Anweisungen zum Blumenschmuck auf der Festtafel und sorgte
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