Der Fürst der Maler
Fleischerläden bogen sich unter Fasanen, Kapaunen und Wildschweinen. Der Boden war schlüpfrig vom Blut und Fett der gemetzelten Tiere, und es stank erbärmlich. Zwischen den Läden sah ich frisch geschlachtetes Geflügel und Rinderhälften. Die Abfälle wurden einfach in den Arno geworfen.
Wir ritten durch enge, gepflasterte Gassen im Schatten von fünfzig Ellen hohen Geschlechtertürmen. Die Häuser links und rechts des Weges wie auch die steinernen Wehrtürme waren durch hölzerne Brücken verbunden. Die Auseinandersetzungen der Familienclans wurden nicht in den Straßen von Florenz, sondern über den Dächern der Palazzi zwischen den mehr als hundertfünfzig Türmen der Stadt ausgetragen.
Dann verließen wir die Schatten und ritten über die weite Piazza della Signoria.
Die Signoria von Florenz war größer als der Palazzo dei Priori von Perugia und prächtiger als der Palazzo Pubblico von Siena. Ich zügelte das Pferd und sah hinauf zum schlanken Wehrturm, Symbol der weltlichen Macht der Republik Florenz und stolze zwanzig Ellen höher als der Campanile, Sinnbild der kirchlichen Macht.
Am Palazzo Gondi und der Kirche San Firenze vorbei gelangten wir durch das Labyrinth der Gassen zur Piazza Santa Croce. Wir überquerten den weiten Sandplatz, auf dem eine Hand voll Männer Calcio spielte, als gelte es, eine Schlacht zu schlagen. Sie rannten lachend einem Lederball hinterher, um ihn durch einen gezielten Tritt auf die andere Seite des markierten Spielfeldes in ein offenes Zelt zu schießen.
Dann hatten wir den Konvent von Santa Croce erreicht. Ich sprang vom Pferd und half Felice aus dem Sattel. Sie machte ein Gesicht, als würde ich sie zu ihrer Hinrichtung führen. Ich band das Pferd an einem Eisenring an der unfertigen Fassade der Kirche fest und folgte ihr.
Felice ergriff meine Hand und zog mich durch das hohe Portal in die Basilika.
Ich hatte keinen Blick für die steinernen Arkaden. Die Splitter farbigen Lichts, die durch die Glasfenster auf den Boden fielen, bemerkte ich nicht. Die hundert Kerzen, die die Apsis erleuchteten, übersah ich. Ich sah nur sie.
Vor dem Altar sank Felice auf die Knie und zog mich zu sich herunter. Sie begann leise zu beten. »Ave Maria, gratia plena, ora pro nobis!« Dann fuhr sie auf Italienisch fort: »Bete für uns, Maria! Bete für unsere Liebe! Und dass wir uns eines Tages wiedersehen!«
Wie konnten wir ahnen, dass ihre Bitte in Erfüllung gehen sollte? Wir würden uns wiedersehen. Aber anders, als jeder von uns es sich ausmalen konnte …
Wir erhoben uns, und ich nahm sie in die Arme, um sie zu küssen. Ihr Körper drängte sich gegen meinen, ihre Hände umfassten meinen Nacken und zogen mein Gesicht zu ihrem herunter. Tränen liefen über ihre Wangen, als wir uns mit einer Leidenschaft küssten, die dem Ort unangemessen war, nicht aber unseren Gefühlen.
»Ich liebe dich!«, flüsterte ich in ihr Ohr. Ich wollte sie nie wieder loslassen. Sie durfte nicht einfach wieder aus meinem Leben verschwinden!
»Ich liebe dich auch, Raffaello!«, antwortete sie und strich mir mit der Hand über das Gesicht.
»Bitte geh nicht!«, bat ich sie verzweifelt.
Sie schüttelte den Kopf, sagte kein Wort. Es war unmöglich. Sie musste dem Willen ihres Vaters gehorchen und Gian Giordano Orsini heiraten. »Ich werde dich nicht vergessen, Raffaello!«, flüsterte sie und besiegelte dieses Versprechen mit einem Kuss.
Sie wollte gehen, doch ich hielt sie zurück. Ich streifte meinen Ring vom Finger und gab ihn ihr. »Er ist jetzt deiner!«, versprach ich ihr. »So wie ich!«
Sie zog ihren Rubinring von der Hand und steckte ihn an den kleinen Finger meiner rechten Hand. »Und ich gehöre dir!«
Dann erhob sie sich und floh vor ihren eigenen Gefühlen.
Ich blieb zurück.
Ich hatte sie verloren.
Ich hatte mich selbst verloren.
War die Liebe nur eine Idee, eine Illusion? Ein Traum, der für mich nie in Erfüllung gehen sollte?
Wie viele Frauen hatte ich vor Felice verführt? Alessandra, Violetta, Clarissa, Fioretta! Wie vielen würde ich mich nach ihr hingeben? Ich liebte sie. Ich liebte sie alle. Jede von ihnen. Sie wurden schöner, wenn ich sie liebte. Sie erblühten wie vom Tau benetzte Rosen im ersten Sonnenlicht. Ihre Augen strahlten, ihre Haut leuchtete, und ihre Haare glänzten. So wollte ich sie malen: als Idee von der Schönheit, der Vollkommenheit!
Aber was waren diese Affären mehr als ein kurzes Aufflackern von Leidenschaft, ein Funkenflug der Ekstase? Das Festhalten
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