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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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höchstpersönlich zur Tür seiner Werkstatt bemühte, um ihn zur Vernunft zu bringen, sich nicht mit Papst Julius anzulegen.
    Michelangelo vertiefte sich in den halbfertigen Entwurfskarton der Schlacht von Cascina. Er wütete mit dem Kohlestift, als wollte er seine Figuren umbringen. Aber das schaffte er nicht. Er erschuf sie neu: mit zum Zerreißen gespannten Muskeln sich erhebend, dem unvermeidlichen Kampf entgegenfiebernd. Der Ertrinkende war verschwunden, ein Strudel von Wellen kündete von seinem Schicksal.
    Wenn Michelangelo und ich in den Straßen von Florenz aufeinander trafen, bildete sich schnell ein Getümmel von Schaulustigen, die an dem ›Kampf der Erzengel‹ Gefallen fanden. Michelangelo beschuldigte mich in aller Öffentlichkeit, mich mit Pietro Perugino und Leonardo da Vinci gegen ihn verbündet zu haben, um ihn aus Florenz zu vertreiben. Meine Verschwörung mit Donato Bramante, um ihn aus Rom fortzujagen, sei ja bereits vom Lorbeer des Erfolgs gekrönt gewesen! Selbst unser gemeinsamer Freund Giuliano da Sangallo hätte unter meiner Scheinheiligkeit zu leiden gehabt.
    Ich schäumte vor Wut wie ein Topf Milch auf dem Feuer, und die mir mit der Weidenrute eingebläute Kunst der Rede kochte über. Ich nannte Michelangelo einen Menschenfeind, der seinen eigenen Anblick so sehr hasste, dass er den Blick in den Spiegel vermied. Damit hatte ich ihn tief getroffen. Die Wunde, die meine scharfkantigen Worte hinterlassen hatten, war zu schmerzhaft und zu tief für eine Versöhnung.

    Leonardo verließ wenige Tage später, im Mai 1506, Florenz und die verlorene Schlacht von Anghiari und ging zurück nach Mailand. Er war tief enttäuscht von Florenz und Piero Soderinis Reaktion auf die verlaufenen Farben seines Freskos. Der Gonfaloniere wiederum nahm ihm seine Flucht nach Mailand übel, obwohl Florenz als Verbündeter der Franzosen keine Wahl hatte, als sich dem Wunsch von Charles d’Amboise, der in Mailand wie ein Herzog herrschte, zu fügen. D’Amboise, der Marschall des französischen Königs, hatte Leonardo als Militäringenieur nach Mailand bestellt.
    Sobald Leonardo Florenz verlassen hatte, stellte Michelangelo seine Arbeiten am Karton der Schlacht von Cascina ein. Eine Fortsetzung der Farbschlacht gegen Leonardo schien ihm sinnlos. Und da auch Pietro Perugino Florenz schon vor einem Jahr in Richtung Perugia verlassen und Sandro Botticelli seit Monaten kein Bild mehr gemalt hatte, setzte Michelangelo mich ganz oben auf die Liste seiner Lieblingsfeinde.
    Anfang Juni 1506 erließ Julius ein Breve, in dem er Michelangelo zur unverzüglichen Rückkehr nach Rom aufforderte, um die Decke der Sixtina zu freskieren. Piero Soderini erzählte mir im Vertrauen, dass Michelangelo gesagt habe, er wolle lieber für den ungläubigen Sultan Bajazet eine Brücke über den Bosporus bauen, als für den ligurischen Fischer auf dem Papstthron seinen Bootsschuppen streichen.
    Während Piero Soderini Michelangelo zu einer Rückkehr nach Rom zu überreden versuchte, um eine diplomatische Verstimmung zwischen dem Vatikan und Florenz zu verhindern, traf ein Brief von Isabella d’Este für mich ein. Die Marchesa bat mich nach Mantua, damit ich ein Porträt von ihr anfertigte.
Sie versuchte mich zu dieser Reise zu überreden, indem sie mir hundert Fiorini Reisegeld als Vorschuss auf die Banca Taddei überwies und mir eine Wohnung mit Atelier im Palast einrichtete. War der Sturm vorüber, der mich aus Urbino vertrieben hatte?
    Einerseits war ich geschmeichelt, von Isabella d’Este als einer der besten Maler Italiens umworben zu werden, andererseits hatte ich von Pietro Perugino und Leonardo gehört, wie tyrannisch die Marchesa sein konnte. Außerdem fragte ich mich, ob sie einen Maler verpflichten wollte oder einen Liebhaber, mit dem sie sich an Francesco Gonzaga für seine Affäre mit Lucrezia Borgia rächen konnte.
    Ich formulierte noch eine höfliche, aber unmissverständliche Absage an Isabella d’Este, als ein Bote aus Urbino eintraf, der mir einen Brief von Francesco überreichte:
    »Komm sofort! F.«

    In Urbino herrschte die Geißel Gottes. Ein reisender Kaufmann hatte die Pest aus Venedig eingeschleppt.
    Als ich vom Stadttor die Gassen hinauf zum Palazzo Ducale ritt, verwesten am Straßenrand die Leichen, die die Verwandten der Sterbenden in Kisten und Säcken vor die Türen ihrer Häuser geschoben hatten. Wie Abfall. Die Totengräber waren in jenen düsteren Tagen die bestbezahlten Handwerker von Urbino. Und die

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