Der Fürst der Maler
Einzigen, die überhaupt noch arbeiteten, denn die Läden waren geschlossen und der Pian di Mercato lag verlassen.
Mit dem Schwarzen Tod waren die Krähen nach Urbino gekommen. Sie lieferten sich mit den Schwalben, die in den Türmen des Palazzo Ducale nisteten, erbitterte Kämpfe. Sie eroberten Urbino wie vor ihnen Cesare Borgia. Vollgefressen vom menschlichen Aas hockten sie auf den Dächern und den Brunnen und warteten. Es war ein grausiger Anblick!
Was war geschehen, dass Francesco mich so ungeduldig nach Urbino beorderte? Ich war so hastig in Florenz aufgebrochen, dass ich nicht einmal auf eine Reisegruppe oder einen Postreiter warten wollte. Klöster und Herbergen hatte ich gemieden, war auf dem schnellsten Weg durch die Nacht nach Urbino geritten. Wie ging es meinem Onkel Bartolomeo Santi, dem Beichtvater der Herzogin? Und Onkel Simone Ciarla, dem Kommandeur der herzoglichen Leibgarde? Oder war jemand im Palazzo Ducale an der Pest erkrankt?
Vor dem Palazzo Ducale sprang ich vom Pferd und rannte durch den Cortile, die Treppe hinauf ins Piano Nobile.
Francesco empfing mich sofort nach meiner Ankunft.
Er schien auf mich gewartet zu haben, denn er sprang auf und ging mir durch sein Arbeitszimmer entgegen, um mich zu begrüßen. »Na endlich! Eleonora hat nach dir gefragt.«
Er küsste mich auf beide Wangen, als sei nichts zwischen uns geschehen, als sei ich gestern erst aus Urbino weggeritten.
»Komm sofort!«, zitierte ich seine Nachricht. »Schneller ging es nicht. Sonst hätte ich mit Leonardos Ornitottero von Florenz nach Urbino fliegen müssen. In der Stadt herrscht die Pest. Ist jemand krank …?«
»Nein, nein! Alle sind gesund und munter. Dein Onkel Simone ist bei Herzog Guido, Pater Bartolomeo schmückt den Dom mit Blumen …«
»Was ist dann so dringend, dass dein Bote mich morgens vor Sonnenaufgang aus dem Bett wirft?«, unterbrach ich ihn ungeduldig.
»Ich dachte, du solltest bei der Entstehung deines großartigsten Kunstwerks dabei sein«, sagte Francesco geheimnisvoll lächelnd, ergriff meine Hand und zog mich mit sich fort.
Durch die Gänge des Palazzo folgte ich ihm, die Treppen hinauf, bis er vor einer Tür stehen blieb. »Von welchem Kunstwerk sprichst du?«
Mit einer gebieterischen Geste befahl er mir zu schweigen. Leise öffnete er die Tür und schob mich in den Raum.
Eleonora lag im Bett, an ihrer Seite saß ein schwarz gewandeter Medicus. Sie öffnete die Augen, und als sie mich erkannte, huschte ein Lächeln über ihr schweißüberströmtes Gesicht. »Raffaello!«, freute sie sich und streckte mir ihre Hand entgegen.
Der Medicus erhob sich und verneigte sich vor Francesco. »Die Wehen haben eingesetzt, Euer Exzellenz!«
Ich setzte mich zu Eleonora und nahm ihre kalte Hand.
»Du bist gekommen«, hauchte sie und küsste meine Hand. Im nächsten Augenblick verzerrte sich ihr Gesicht, als eine neue Woge des Schmerzes sie durchfuhr. »Ich … freue … mich«, keuchte sie.
Bevor ich antworten konnte, drängte mich der Medicus auf die Seite, um sich um Eleonora zu kümmern. Ich erhob mich und wandte mich um.
Und dann sah ich sie. In einem Sessel am Fenster saß die Contessa della Rovere Orsini: meine Felice!
Ich vergaß zu atmen. Und mein Herz begann zu galoppieren über die weiten Felder der Erinnerung an eine Nacht, eine einzige Nacht. Dann hatte ich mich wieder unter Kontrolle und ging zu ihr hinüber.
Sie war ebenso überrascht wie ich. Hatte ihr Cousin Francesco ihr nicht gesagt, dass ich kommen würde? War es nicht Francesco gewesen, der mir gesagt hatte, dass Felice mich nie wiedersehen wollte? Unsere Blicke kreuzten sich wie Klingen.
Ich verneigte mich vor der Herzogin Elisabetta, die mich freundlich begrüßte, dann küsste ich die Hand der Contessa Orsini und setzte mich wortlos neben sie.
»Was machst du hier, Raffaello?«, flüsterte sie so leise, dass uns keiner der Anwesenden verstehen konnte.
»Francesco hat mich gebeten zu kommen. Ich wusste nicht, dass Ihr hier sein würdet, Contessa.«
»Eleonora ist meine Cousine«, zischte sie, und ich gab mich mit dieser dürftigen Erklärung zufrieden. »Außerdem habe ich selbst einen Sohn«, ergänzte sie, als ob mir diese Tatsache entgangen sein könnte.
Eleonora schrie vor Schmerz und wurde vom Medicus gehalten, während sich zwei Hebammen um sie kümmerten.
»Wärest du gekommen, wenn du gewusst hättest, dass ich hier bin?«, fragte Felice.
»Ja«, flüsterte ich.
Sie zögerte einen Augenblick, doch dann
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