Der Fürst der Skorpione
im Karawanenterminal wurde ein EuroForce-Soldat getötet.«
»Draußen ist es gefährlich für uns«, entgegnete Nick. »Hier drinnen ist es noch viel gefährlicher«, sagte der Weiße. »In einer halben Stunde spätestens wird es hier eine Razzia geben, weil die EF nach den Mördern suchen wird. Es ist ja bekannt, dass sie Todesfälle in ihren Reihen besonders ernst nimmt.«
Nick legte ein schmales Päckchen auf den Tisch. »Werd glücklich damit«, sagte er bitter und stand auf. »Ich kann nichts dafür«, entgegnete der Weiße höflich. »Diese Situation hat allein derjenige zu verantworten, der den Soldaten getötet hat. Bitte richte Danielle meinen großen Dank aus.«
Dann klatschte er in die Hände. Zwei Männer, schlank, dunkelhaarig, in europäische Anzüge gekleidet, traten ein. Björn sah sofort, dass sie bewaffnet waren. »Bringt die drei bitte zum Basar. Unauffällig.« Die beiden Männer bewegten sich mit der Sicherheit kaltblütiger Profis, als sie die drei durch ein kleines Labyrinth aus Treppen, Hinterzimmern und Gängen zu einer Tür führten, durch die vielstimmiges Gemurmel hereindrang. »Zieht das hier an.« Einer der beiden Anzugträger verteilte lange Umhänge und weiße Häkelmützen, wie die Muslime sie trugen. Tabea ermahnte er: »Lass dich nicht in Männerkleidern erwischen. Sprich so wenig wie möglich, lass niemanden merken, dass du ein Mädchen bist. Wir sind hier zwar ziemlich liberal, aber so liberal nun auch wieder nicht.« Er öffnete die Tür und das Stimmengewirr wurde sofort lauter. An Björn gewandt sagte er: »Raus jetzt mit euch!«
Die Tür schloss sich hinter ihnen und sie standen zu ihrem Erstaunen schon auf dem Basar der Karawanserei. Nick wollte sich in Taschendiebmanier sofort zwischen den Verkaufsständen, den Tee-, Falafel- und Limonadenbuden verkrümeln, aber Björn hielt ihn zurück. Das war zwar eine gute Strategie für einen Einzelnen, aber nicht für eine Gruppe. Björn wusste, dass seine ehemaligen Kollegen von der EF zuallererst hier suchen würden. Er kannte ihre Taktiken und wusste, dass man mit einem brauchbaren Suchmuster selbst einen Ameisenhaufen wie diesen Basar relativ schnell durchkämmen konnte, vorausgesetzt, er war nicht zu groß. Und hier, zwischen all den Ständen, waren sie zwar durch die Menge geschützt, aber auch in ihr gefangen. Deswegen wollte Björn, dass sie sich eher am Rand aufhielten, von wo aus man schnell in die umliegenden Gassen flüchten konnte. Auch hoffte er, früher oder später auf Danielle und die anderen zu stoßen, er wusste ja, dass auch sie hier irgendwo sein mussten. Die Zeit lief, bald würde die EF ausrücken und ernsthaft mit der Suche nach dem Mörder beginnen. Björn fühlte das Gewicht des Gewehrs unter seinem Umhang. Er war froh, dass es sich um eine Mitrailleuse neuerer Machart handelte, eine furchtbare Waffe, die winzige Geschosse mit unglaublichem Druck in die Gegend schleudern konnte. Pro Sekunde mehrere Hundert davon. Björn war entschlossen, sich zu verteidigen, koste es, was es wolle. Sich selbst und Tabea. Sie umkreisten den Markt gegen den Uhrzeigersinn. Hier und dort besuchten sie einen Stand, versorgten sich mit Proviant, zogen sich aber wieder schnell an den Rand des Geschehens zurück. Björn interessierte sich nicht für die Gerüche, nicht für die Menschen oder die Waren. Er musste den Überblick über das Terrain behalten. Sein rechter Zeigefinger befand sich immer am Abzug der Mitrailleuse.
Als sie sich kurz in eine kleine Seitengasse zurückzogen, um ein wenig zu verschnaufen, sprach Tabea ihn an. Ihre Stimme zitterte. »Du hast ihn umgebracht.«
Er blickte die Gasse hinunter. »Ich habe schon viele Menschen umgebracht«, flüsterte er. »Ich war Soldat.«
»Du hättest ihn doch umhauen können oder so was.«
»Das war zu gefährlich. EF-Soldaten in dieser Rüstung kann man nicht so leicht niederschlagen. Aber es gibt eine Schwachstelle am Nacken, die musste ich ausnutzen. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Du hast ihn umgebracht«, wiederholte Tabea, diesmal dem Weinen nahe.
»Was soll das?«, fragte Nick. »Hast du noch Mitleid mit diesem Schwein? Der hätte uns eingebuchtet, für immer.«
»Du hältst die Klappe«, gab Tabea zurück.
»Tabea, du wolltest, dass wir fliehen.« Das brachte sie zum Schweigen.
»Also los«, kommandierte Björn, »zurück zum Markt!« Nach wenigen Schritten wurden sie von einem humpelnden Bettler angesprochen, der sein Gesicht unter einer großen Kapuze
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