Der Fürst der Skorpione
verbarg.
»Ein Euro, der Herr«, sagte er zu Björn, und als dieser ihn zur Seite schieben wollte, rief er winselnd: »Ein paar Cent, der Herr, nur ein paar Cent.«
Björn wollte gerade rabiat werden, da trat der Bettler noch näher zu ihm heran und zischte: »Spiel mit.« Da erkannte Björn Danielle und befahl Nick: »Also gut, gib ihm was, damit er sein Maul hält.«
»Danke, der Herr, zu gütig, der Herr«, näselte Danielle, der seine Rolle so gut spielte, dass Nick und Tabea erst jetzt ein Licht aufging.
»Jetzt verzieh dich, sonst mach ich dir Beine!«, knurrte Björn. »Tausend Dank der Herr«, sagte Danielle, »vielen, vielen Dank. Ich sehe, der Herr ist fremd hier in El Dschaem. Brauchen der Herr vielleicht einen Schlafplatz?«
»Schon möglich«, entgegnete Björn, wobei er den Nachdenklichen markierte. Allerdings gehörte die Schauspielerei, das hatte er schon früher gemerkt, nicht zu seinen Stärken. »Dann müsst ihr mitkommen«, rief der Bettler begeistert. »Ich weiß was für euch.«
Und er humpelte weg, ohne sich nach Björn, Nick und Tabea umzusehen.
Jetzt ging es hinein in eine besonders schmale, dunkle Gasse, die nur hier und da von einigen Laternen erleuchtet wurde, zwischen den stummen Häuserwänden aufgespannt wie Lampions. Das Kopfsteinpflaster war schadhaft, sie mussten aufpassen, dass sie nicht stolperten. Björn entdeckte Graffiti in Arabisch und Euro an den Wänden, die wie politische Parolen aussahen, es roch nach Katzenpisse.
»Kommt mit«, rief Danielle von vorne, »folgt mir, meine Freunde!«, aber Björn hatte plötzlich ein komisches Gefühl. Die ganze Situation sah nach Falle aus.
»Bettler«, rief er in die dunkle Gasse. »Wohin bringst du uns?«
»Zu einem Zimmerwirt«, kam es prompt zurück. Eine Taschenlampe blitzte auf und Björn konnte Danielles Umrisse ausmachen, vielleicht fünfzehn Meter entfernt. »Er hat nur noch wenige Betten frei. Ihr müsst euch beeilen.« Danielle humpelte mit der Taschenlampe davon, und Björn, der wusste, dass er keine Wahl hatte, trieb jetzt seinerseits Nick und Tabea zur Eile an.
Treppauf, treppab. Ecken, Durchgänge, schmale Gassen, breite Gassen. Wassergeruch wie von einer Zisterne. Björn war voller Misstrauen und ärgerte sich, dass sie Danielle ausgeliefert waren. Bemüht, auf dem holprigen Untergrund nicht zu stürzen, prüfte er immer wieder mit einem Blick über die Schulter, ob Nick und Tabea hinterherkamen. Björn wusste, dass die Wände Ohren hatten. Als er um eine Hausecke bog, hinter der Danielle gerade verschwunden war, stand dieser plötzlich direkt vor ihm, beinahe hätte er ihn umgerannt. »Nicht so stürmisch«, sagte Danielle und hielt die Tür zu einem Privathaus auf. Ein Lichtstreifen fiel von innen auf die Gasse. »Hier hinein, bitte!«
»Du zuerst«, erwiderte Björn. Danielle lachte und schlüpfte ins Haus, Björn gab Tabea und Nick den Vortritt und ließ die Tür nach einem letzten Blick auf die Gasse ins Schloss fallen. Eine Treppe führte nach unten, in einen engen, nur von einer einzigen Glühbirne beleuchteten Raum, der voller Leute war. Fedor, Ghazwan, der Stumme und natürlich Danielle, der seine Kapuze und seine Bettlermanieren jetzt abgelegt hatte, aber auch zwei Fremde. Björn erschrak, als er die beiden Fremden sah: Sie steckten in tarnfarbenem Drillichzeug und trugen außerdem Körperpanzer der altmodischen Art, über ihren Schultern hingen Sturmgewehre, wie sie von keiner Armee der Welt mehr benutzt wurden. Er stand da, musterte die bärtigen Kämpfer und wusste nicht, was er tun sollte.
Danielle grinste. Neben den Erwachsenen sah er plötzlich wieder wie der Junge aus, der er eigentlich noch war. »Schön, dass ihr alle kommen konntet«, sagte er. »Die Lage ist die: Im Moment durchkämmt die EF gerade den Basar. Alle Zufahrten zur Karawanserei sind gesperrt. Mit einem Wort: Wir müssen abhauen.«
»Falsch«, sagte Björn. »Wir müssen uns flachlegen und dürfen uns so lange nicht erwischen lassen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Ich weiß, was hier läuft. Ich habe oft genug selber Käffer wie das hier durchsucht.«
Die beiden Bewaffneten musterten ihn etwas aufmerksamer als noch vorhin.
»Björn«, entgegnete Danielle, »deine Erfahrung in allen Ehren. Aber du verkennst die Lage. Der Tote war ein Offizier, ein Leutnant, um genau zu sein. Die werden hier alles auf den Kopf stellen. Überall im Intranet der Karawanserei, in Intros und auf ganz gewöhnlichen Plakaten wird gerade die
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