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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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sich etwas anderes einfallen lassen. Sie entschied sich für die direkte Methode. Wenn die Kamele nach mehreren anstrengenden Wüstenmärschen richtig Durst hatten, wurden sie an Blechwannen getränkt, die über den Stall verteilt waren. Aber für kleine Schlucke zwischendurch ließ man diese Wannen nicht voll laufen, sondern schüttete nur ein paar Liter des kostbaren Recyclingwassers hinein. Das Wasser lief dann nicht durch das eigens installierte Röhrensystem zur Befüllung der Tränken, sondern wurde mit Lederschläuchen von den Konvertern geholt. Tabea stahl zwei dieser Schläuche aus dem Kamelstall und ging mit ihnen in die Konverterhöhle. Dort begann sie, Wasser abzufüllen. Obwohl die Konverter sauber konstruiert und abgedichtet waren, roch es in dem Raum wie in einer Latrine. Der Gestank von Kot, Gülle und Urin ließ sich einfach nicht völlig wegfiltern. Das Wasser, das aus den Hähnen am Ende der Konverter kam, war jedoch kristallklar. Als sie beim zweiten Schlauch war – sie stand mit dem Rücken zum Eingang der Konverterhöhle –, kam jemand herein. Ihr Herz klopfte. Dass sie beim Abfüllen des Wassers beobachtet wurde, konnte ihren Fluchtplan durchkreuzen. Sie verfluchte sich innerlich dafür, dass sie nicht vorsichtiger gewesen war. Um keinen Preis würde sie sich umdrehen, das hätte ihre Aufregung verraten. Aber als der andere an den Wasserhahn unmittelbar links von ihr trat, musste sie aufblicken – jetzt nicht zu grüßen hätte sie sofort verdächtig gemacht. Mit Schrecken erkannte sie Usern, einen von Aslals Tuaregfreunden. »Salaam«, sagte sie unsicher.
    »Verwöhnt mir bloß die Kamele nicht«, knurrte Usern zurück. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Safed glaubte, dass sie das Wasser für Abdellatif zapfte, weil er natürlich die Schläuche aus dem Stall erkannt hatte. Jetzt musste er nur noch gegenüber Aslal und Abdellatif schweigen. Dann konnte ihre Flucht immer noch gelingen.
    Als sie in ihre Wohnhöhle zurückkam, war Björn immer noch nicht da. Der hatte wohl anderes zu tun. Umso besser. Sie versteckte ihren Proviant unter einem Haufen von Kleidern und wartete auf die Nacht.
    »Nimm«, sagte Nasrid und hielt Björn den silbernen Teller hin. Da er ihn nicht ganz gerade hielt, fielen mehrere Kirschen zu Boden. Björn, der auf einem der großen Kissen saß, beugte sich nach vorn, um die Kirschen aufzulesen. Als er sie auf den Teller zurücklegen wollte, war der schon zu den anderen weitergewandert. Er begann die Kirschen zu essen, die er eben aufgeklaubt hatte, die Kerne spuckte er in einen eigens dafür bestimmten Krug an seinem Sitzplatz. Die anderen Männer bedienten sich, aßen, spuckten.
    »Ich frage mich, Dubb«, sagte Nasrid, »wie loyal du bist.« Er leckte sich die Finger, an denen etwas Kirschsaft klebte. »Wie meinst du das, Madugu?«, fragte Björn. »Ganz einfach«, sagte Nasrid. »Das Problem mit Verrätern ist, dass man ihnen nicht trauen kann. Sie waren bereits einmal untreu. Das könnte sich wiederholen.«
    »Ich bin kein Verräter«, sagte Björn. »Für die EF schon«, entgegnete Nasrid.
    »Was die EF sagt, ist mir egal. Ich war ihr gegenüber loyal bis zum Äußersten, aber sie hat mich in einen Zustand versetzt, der schlimmer war als der Tod. Ich habe meinen Dienstauftrag erfüllt. Nicht ich habe die EF verraten, sondern sie mich.« Nasrid genoss das Gespräch anscheinend, denn er lächelte amüsiert.
    »Das hast du schön gesagt. Und wenn wir dir etwas antun, was du als Unrecht ansiehst, meinst du dann auch, dass wir dich verraten haben?«
    Björn schwieg. Er musste nachdenken und seinen Zorn im Zaum halten.
    »Wir brauchen eine Loyalität von dir, die auch dann anhält, wenn wir dir Schmerzen zufügen. Ob mit oder ohne Absicht.«
    »Die habt ihr.«
    »Ach? Dafür brauche ich einen Beweis. Nicht wahr, Hassan?«
    »Absolut«, sagte die Stimme hinter dem Vorhang.
    Nasrid klatschte einmal in die Hand und hinter seinem Sitz kam etwas hervorgekrochen. Das Ding war vielleicht zwanzig Zentimeter hoch und einen halben Meter lang. Es bewegte sich auf sechs Beinen und blinkte metallisch im trüben Licht der Öllampen. Kleine Servomotoren summten, und die Beinchen klickten leise, wenn sie ihre insektenflinken Schritte machten. Björn erschrak zu Tode, wollte aufspringen, wegrennen, aber er beherrschte sich. Ein Skorpion. Die tödlichste Waffe der Rebellen. »Du kennst unsere Skorpione, Dubb?«
    Der Automat kam langsam, vorsichtig auf Björn zu. Er schien unwiderstehlich von

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