Der Fürst der Skorpione
Felsen. Ihre Umrisse wurden klarer, das Flimmern der Luft hörte auf, als Tabea sich ihnen weiter näherte. Dunkelbraun hoben sie sich vom gleißenden Himmelsblau und dem dunklen Gelb des Sandes ab. Es waren Felsen wie jener, in dessen Innerem sich die Fennekbasis befand. Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, nahm Tabea noch einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch. Ihre Lippen waren bereits jetzt, nach wenigen Stunden in der Wüste, aufgesprungen und rissig wie trocknender Lehm. Sie stolperte in den Schatten des größten Felsen und spürte eine Erleichterung wie noch nie in ihrem Leben.
Endlich Schatten, endlich Schutz! Sie musste sich erst eine Weile ausruhen, bevor sie die Umgebung der Felsen erkunden konnte, und erlebte dann prompt eine Überraschung. Dort, wo die Schatten am längsten waren, standen ein paar verstaubte, armselig wirkende Palmen rund um ein Wasserloch. Eigentlich war es eher eine Pfütze, aber Tabea stürzte sich sofort darauf und begann mit bloßen Händen im feuchten Sand zu graben, um das Loch zu vergrößern. Gierig schöpfte sie die schmutzige Brühe aus der Vertiefung, nie hatte ihr Wasser besser geschmeckt. Ihre nächste Entdeckung war eine Höhle in dem großen Felsen, vielleicht nur einen Meter fünfzig hoch, dafür aber mindestens zehn Meter breit und ebenso tief. Sie leuchtete die Höhle mit ihrer Taschenlampe aus, der Boden war sandbedeckt, nichts deutete darauf hin, dass je ein Tier oder ein Mensch vor ihr hier gewesen war. Geduckt lief sie in die Höhle hinein. Es war hier merklich kühler, die Angst verließ sie allmählich. An eine Wand gelehnt, atmete sie den Geruch des Steins ein. Dann aß sie einen der EF-Nährstoffriegel aus ihrem Vorrat. Wie es wohl Björn inzwischen ergangen war? Nachdem sie gegessen hatte, sank sie müde zur Seite und schlief ein.
»Nein!«, befahl Björn, als Khadar auf den Knopf drücken wollte. Ein Sprühstoß aus dem Aerosol-Verteiler, und die Minen, die die Kampfgruppe gerade gelegt hatte, würden scharf gemacht. Ihre chemischen Sensoren, so empfindlich wie die Antennen von Nachtfaltern, würden sofort auf den Impuls reagieren. »Aber wir müssen uns wehren!«, beharrte Khadar, er konnte ein Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Die machen uns platt!«
Jetzt spürten alle das Getrampel der anrückenden Käfer. Wo zum Teufel steckten Mohammed und Claude? »Wenn wir die Minen jetzt scharf machen«, sagte Björn, »gefährden wir die ganze Mission. Die EF wüsste, was wir hier gemacht…«
Mohammed und Claude brachen durch die Weizenhalme, Panik in den Gesichtern. »Die Käfer kommen!«, riefen sie.
»Wissen wir!«, entgegnete Björn. »Los, los, los, Rückzug!« Das Sandnetz hatte bereits begonnen, sich selbst zu heilen; das Loch, durch das die Rebellen hindurchgeschlüpft waren, hatte sich schon so verkleinert, dass ein erwachsener Mann nicht mehr hindurchpasste. Mohammed erkannte die Situation sofort und benutzte sein Lasermesser, um den Weg wieder freizumachen, aber sie verloren wertvolle Zeit. Björn trieb seine Männer durch den sandigen Graben, der die Weizenplantage von der Wüste trennte, scheuchte sie durch das Loch im äußeren Elektrozaun, der glücklicherweise nicht selbstreparierend war. Anouar und Khalil sahen sie kommen, sie öffneten die Luken der Buggys, dann waren sie drin, Björn schrie nur noch: »Runter!«, und sie sanken unter die Oberfläche. Keine Sekunde zu früh. Kaum waren die Buggys drei Meter unter der Oberfläche zum Stillstand gekommen, spürten die Rebellen massive Erschütterungen. Offenbar ließen die Käferkommandanten den Zaun niederwalzen, in der Hoffnung, die Eindringlinge außerhalb der Plantage doch noch einzufangen. Alle schauten abwechselnd zu Björn und zur Decke des Wüstenbuggys hinauf, Björn hielt sich den Zeigefinger vor den Mund. Er selbst versuchte, so ruhig und so leise zu atmen wie möglich. Der Boden bebte. Die Schritte der Käfer waren bis in die Tiefe zu spüren. Sterben fand Björn nicht schlimm, aber er wollte auf keinen Fall der Erste sein, der einen Wüstenbuggy an den Feind verlor. Der Schweiß lief ihm in den Kragen seines Drillichhemds. Alle hielten die Luft an. Als sie aufwachte, schwebte ein Geist in der Höhle. »Hallo, Tabea«, sagte er, als sie sich erschrocken aufrichtete.
»Nein«, keuchte sie und versuchte wegzukriechen. Er folgte ihr nicht. Die Umrisse seiner Gestalt waren verschwommen, manchmal flackerte das Bild, wie wenn man sich beim Halluzinieren nicht
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