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Der Fundamentalist, der keiner sein wollte

Der Fundamentalist, der keiner sein wollte

Titel: Der Fundamentalist, der keiner sein wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohsin Hamed
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warum meine Eigenheiten bei meinen älteren Kollegen so ankamen. Vielleicht lag es an meiner Sprache: Wie Pakistan ist Amerika schließlich eine ehemalige englische Kolonie, und da ist es logisch, dass ein anglisierter Akzent in Ihrem wie auch in meinem Land noch immer mit Reichtum und Macht assoziiert wird. Vielleicht lag es auch an meiner Fähigkeit, mich in einer hierarchischen Umgebung respektvoll, aber auch mit Selbstachtung zu bewegen, wozu amerikanische Teenager – anders als ihre pakistanischen Pendants – anscheinend selten erzogen sind. Wie auch immer, ich spürte einen Vorteil, den ich mir als Ausländer verschafft hatte, und ich bemühte mich, ihn mir so gut ich konnte zunutze zu machen.
    Die hohe Wertschätzung Wainwrights und meiner Leistungen wurde bestätigt, als wir Trainees für die Fahrt zu der alljährlichen Sommerparty in zwei Dreiergruppen aufgeteilt wurden. Die eine, darunter Wainwright und ich, fuhr bei Jim mit, dem leitenden Direktor, der uns eingestellt hatte, die andere mit Sherman, der als Vizepräsident im Pantheon von Underwood Samson auf einer tieferen Stufe stand. Da in unserer Firma nichts zufällig geschah, wussten wir alle, dass das ein Zeichen war.
    Mit uns im Wagen saßen einige Kollegen und ein Vizepräsident aus einem von Jims Teams. Alle plauderten drauflos – das heißt alle außer Jim und mir. Jim folgte schweigend dem Gespräch. Dann schaute er zu mir, und ich musste die Augen abwenden, damit er mich nicht dabei ertappte, wie ich ihn beobachtete. Doch er schaute mich in seiner unverwandten, durchdringenden Art weiter an, bis er schließlich sagte: »Sie haben ein wachsames Auge. Wissen Sie, woher das kommt?« Ich schüttelte den Kopf. »Das kommt daher, dass Sie sich fehl am Platz vorkommen«, sagte er. »Glauben Sie mir. Ich weiß das.«
    Die Party fand in Jims Haus in den Hamptons statt, einem prachtvollen Anwesen, das mich an Der große Gatsby erinnerte. Es lag direkt am Strand, auf einer Anhöhe hinter einer schützenden Dünenkette, und hatte einen Swimmingpool, einen Tennisplatz und einen offenen weißen Pavillon, der zum Trinken und Tanzen am einen Ende der Rasenfläche erbaut war. Bei unserem Eintreffen spielte eine Swing-Band auf, und ich roch, dass Steaks und Hummer auf einen Grill geworfen wurden. Wainwright schien ganz in seinem Element: Er nahm eine der Kolleginnen am Arm, und schon bald wirbelten sie im Takt der Musik herum. Wir Übrigen standen mit einem Cocktail in der Hand am Rand und sahen zu.
    Nach einer Weile trat ich vor den Pavillon, um frische Luft zu schnappen. Die Sonne war untergegangen, und in der Ferne, die geschwungene Küstenlinie entlang, funkelten die Lichter anderer Häuser. Die Wellen wisperten beim Heranspülen und erinnerten mich daran, dass ich vor nicht allzu langer Zeit in Griechenland gewesen war. Das Meer war mir immer als sehr fern erschienen, als Luxus und voller Abenteuer; nun wurde es beinahe zu einem normalen Teil meines Lebens. Wie viel sich in den vier Jahren seit meinem Abschied von Lahore doch verändert hatte!
    »Ich erinnere mich noch gut an meine erste Sommerparty bei Underwood Samson«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um; es war Jim. Er fuhr fort: »Es war ein herrlicher Abend, so wie jetzt. Es gab ein Barbecue, Musik. Erinnerte mich irgendwie an Princeton, wie mir zumute war, als ich dort ankam. Ich dachte, dass ich nichts dagegen hätte, selbst mal so ein Haus in den Hamptons zu haben.« Ich lächelte; Jim gab einem das Gefühl, er könne Gedanken lesen. »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte ich. Jim ließ den Blick übers Wasser schweifen, und eine Weile standen wir schweigend nebeneinander. Dann sagte er: »Haben Sie Hunger?« »Ja«, antwortete ich. »Schön«, sagte er ermunternd und klopfte mir gleichzeitig mit der Hand auf die Schulter – eine seltsame, überlegte Geste – und führte mich nach drinnen zurück.
    Ich merkte, wie ich mir im Lauf des Abends wünschte, Erica wäre da. Sie möchten wissen, was aus ihr geworden war? Nein, ich hatte sie nicht vergessen; sie nahm einen großen Teil meines Lebens in New York ein, ich komme gleich auf sie zurück. Jetzt aber wollte ich nur nebenbei erwähnen, dass Jims Haus so imposant war, dass ich dachte, sogar sie könnte beeindruckt sein. Und das heißt einiges, wie Sie noch verstehen werden.
    Eine Woche danach, als das Ausbildungsprogramm zu Ende ging, rief Jim uns reihum in sein Büro. »Na?«, fragte er, »was glauben Sie, wie Sie waren?« »Ganz

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