Der Funke des Chronos
Unbestritten bleibt aber, dass der Große Brand von 1842 das Gesicht Hamburgs nachhaltig verändert hat. Das Stadtzentrum der Hansestadt wurde in den Folgejahren von der Trostbrücke in den Bereich zwischen Börse und Binnenalster verlegt. Und viele der touristischen Attraktionen des heutigen Hamburg, darunter das ›neue‹ Rathaus und die nach venezianischem Muster gestalteten Alsterarkaden, wären ohne den verheerenden Großbrand sicher nie entstanden.
Kein Hamburger möchte das heutige Stadtbild missen. Dennoch werde ich immer dann nachdenklich, wenn ich historische Lithografien und Beschreibungen der Stadt in der Hand halte. Zeitzeugen, die einem bewusst machen, dass Herz und Seele des Alten Hamburgs im Frühling 1842 unwiderruflich ein Raub der Flammen wurden. Bei solchen Gelegenheiten ertappe ich mich manchmal bei dem Gedanken an Zeitreisen. Wie wäre es, das Alte Hamburg noch einmal mit eigenen Sinnen zu erleben?
Echte Zeitreisen sind nach heutigem Wissen zwar denkbar, zumindest schließen Relativitätstheorie und Quantenphysik diese Möglichkeit nicht aus, doch ist absehbar, dass die praktische Umsetzbarkeit für Unternehmungen dieser Art noch lange Zeit Fiktion sein wird.
Und so bleibt die Phantasie wohl auch weiterhin die einzig denkbare Alternative, eine solche Zeitreise Wirklichkeit werden zu lassen.
›Der Funke des Chronos‹ möge daher zum einen als Hommage an H. G. Wells, den Begründer des klassischen Zeitreiseromans, verstanden werden, zum anderen aber als Liebeserklärung an meine Heimatstadt.
Mein Hauptanliegen bestand darin, Sie nicht nur auf eine aufregende, sondern auch auf eine möglichst authentische Rundreise durch das Alte Hamburg von 1842 mitzunehmen.
Tatsächlich entstammen nur sehr wenige Einzelheiten dieses Streifzugs meiner Phantasie (etwa der in Ermangelung anderer historisch benannter Räumlichkeiten frei erfundene Neptunsaal des alten Hamburger Rathauses). Und soweit mir bewusst, mussten nur zwei historische Umstände dramaturgischen Erfordernissen weichen. So war im Alten Hamburg ein nächtliches Fahrverbot für Kutschen in Kraft, und Abdeckereien mussten wegen des Gestanks auf das Gebiet außerhalb der Stadtwälle beschränkt bleiben.
Davon abgesehen wurden alle historischen Schauplätze, die im Roman Erwähnung finden, über mehrere Jahre akribisch recherchiert. Wenn also der Protagonist einen ausgestopften Grönländer im damals sehr beliebten Baumhaus an der Decke sieht oder das bunte Treiben im weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Elysium-Theater erlebt, mit anderen Helden der Geschichte durch namentlich erwähnte Straßen des Alten Hamburgs streift oder Zeuge skurriler Begebenheiten während des Großen Brandes wird, dürfen Sie sich darauf verlassen, dass die Lokalitäten und Ereignisse zum Teil wortgetreu den Aufzeichnungen und Überlieferungen jener Tage entsprechen.
Soweit es mir möglich war, habe ich mich auch darum bemüht, den historischen Figuren dieses Romans Originalzitate in den Mund zu legen, um die fiktive Authentizität der Geschichte zu steigern.
Kurz: Es würde mich freuen, wenn Sie für einige Stunden das Gefühl hatten, wirklich im Hamburg der Biedermeierzeit angekommen zu sein.
An dieser Stelle möchte ich mich daher bei all jenen bedanken, die mir mit ihrer tatkräftigen Hilfe, ihrem Fachwissen oder ihrem Rat zur Seite standen, bevor und während dieser Roman Gestalt annahm:
Zu danken habe ich – neben der Hamburgensien-Sammlung der Hamburger Staatsbibliothek und meinem Lektor Joern Rauser -Jürgen Pirner und Dietmar Cremers für inspirierende Diskussionen; Kerstin Hesch für wertvolle historische Recherchen; Volker Ulimann für Anmerkungen zur Fechtchoreographie; Tanja Schumacher, Katja Engler, Lars Schiele, Florian Lacina und Jan Timm für sorgfältige Testlesungen; Jörg »Hampi« Middendorf für fachkundige polizeiliche Beratung sowie meinen Helfern bei Sprache und Dialekt: Marion Seehaus (Hessisch), Hadmar von Wieser & Angela Kuepper (Jiddisch), Robin Fenner (Latein), Tanja Schumacher (Französisch) und – vor allem -Jan »Borchert« Timm, ohne den all die Transkriptionen ins Plattdeutsche nicht möglich gewesen wären.
Last but not least sei meiner Lektorin Friedel Wahren gedankt, die von Anfang an die vorliegende Geschichte glaubte und die Zeitreise in das Alte Hamburg erst ermöglichte: eine Epoche, die vergangen, aber ganz sicher nicht vergessen ist.
THOMAS FINN
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