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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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An der Ecke meiner Straße ist ein »Anmeldungsbüro für Eigenwüchsige Nobelpreisanwärter«. Daneben Bildergalerien, wo nur echte Gemälde mit Expertisen und Herkunftsbeglaubigungen spottbillig verkauft werden. Sogar Rembrandts und Matisses. Der Hoftrakt meines Hochhauses beherbergt eine Schule für pneumatische Kleincomputerchen. Manchmal dringt ihr Gefauch und Geschnauf herüber (durch die Ventilationsschächte?). Diese Computerchen sind vielseitig verwendbar. Zum Beispiel werden geliebte Hunde nach ihrem fleischlichen Tode damit ausgestopft. Das kommt mir reichlich monströs vor. Aber Leute meinesgleichen bilden ja hier eine winzige Minderheit. Ich wandere gern durch die Stadt. Ich kann mich schon per Flitz fortbewegen. Das ist leicht. Ich habe mir eine weinrote Tunika gekauft, mit weißem Bruststück, silbernen Flanken, weinroter Schleife und goldverbrämtem Kragen. Von den Trachten, die jetzt getragen werden, ist diese noch am wenigsten grell. Es gibt Kleidung, die immer wieder Schnitt und Farbe ändert; Frauenkleider, die unter Männerblicken hinwegschrumpfen oder sich im Gegenteil zum Schlaf wie Blumen entfalten; Kleider und Blusen, die wie Fernsehschirmchen allerlei bewegte Szenen zeigen … Man kann Orden anstecken: welche man will und so viele man will. Man kann auf dem Hut Hydrokulturen japanischer Zwergpflanzen züchten. Aber zum Glück kann man ebensogut auch gar nichts züchten und gar nichts anstecken. Ich werde mir nichts in die Ohren oder an die Nase hängen. Mein flüchtiger Eindruck: alle diese hübschen, großen, netten, höflichen und ruhigen Menschen sind überdies irgendwie eigenartig, ungewöhnlich … Sie haben etwas an sich, was mich wundert oder zumindest stutzig macht. Aber ich habe keine Ahnung, woran das liegen könnte. 10. 8. 2039. Heute mit Aileen soupiert. Ein netter Abend. Nach dem Essen besuchten wir den altertümlichen Rummelplatz von Long Island. Wir amüsierten uns köstlich. Ich beobachte die Leute genau. Sie haben etwas an sich. Etwas Eigentümliches haben sie an sich. Ja, aber was? Ich komme nicht dahinter. Zur Kinderkleidung: ein Bübchen, als Computer verkleidet. Ein anderes segelt stockhoch über der Menschenmenge der Fünften Straße dahin und streut Zuckererbsen auf die Passanten. Die winken ihm zu und lächeln leutselig. Ein Idyll. Kaum zu glauben. 11.8. 2039. Soeben war Klimbiszit über das Septemberwetter. Das Klima wird in allgemeiner und gleicher Wahl für den jeweils nächsten Monat festgelegt. Dank einem Computer werden die Abstimmungsergebnisse unverzüglich bekanntgegeben. Zwecks Stimmabgabe wählt man eine bestimmte Telefonnummer. Der August wird sonnig sein, mit geringer Niederschlagsmenge, nicht allzu heiß. Viele Regenbögen und Haufenwölkchen. Regenbögen gibt es nicht nur bei Regen; sie lassen sich auch anders erzeugen. Ein Sprecher der METEO entschuldigte sich für die mißglückten Wolken vom 26., 27. und 28. Juli. Unachtsamkeit der technischen Kontrolle. Ich speise in der Stadt, manchmal auch im Wohn. Aileen hat für mich Websters Wörterbuch aus der Revitarbibliothek entliehen. Anderswo gibt es ja keine Bücher. Ich weiß nicht, was ihre Stelle vertritt. Aileens Erklärungen habe ich nicht verstanden, und ich schämte mich, dies zu bekennen. Wieder ein Abendessen mit Aileen, im »Bronx«. Das liebe Mädchen hat immer etwas zu sagen, nicht wie diese Mädchen im Flitz, die alle Konversationspflichten auf die Computerhandtäschchen abwälzen. Heute sah ich im Fundamt drei solche Täschchen. Anfangs plauderten sie ruhig, dann zerstritten sie sich. Was die Passanten betrifft, und überhaupt die Leute in der Öffentlichkeit – sie schnaufen sozusagen. Ich meine, sie atmen laut. Ist das so Sitte? 12. 8. 2039. Ich habe mich aufgerafft und Passanten nach einer Buchhandlung gefragt. Sie zuckten die Achseln. Zwei Männer, die ich angesprochen hatte, hörte ich im Weitergehen sagen: »So ein frostiger Tautropf!« Besteht etwa ein Vorurteil gegen Taulinge? Ich notiere weitere unbekannte Ausdrücke, wie ich sie vernommen habe: Dinkel, Sicker, Dreibapp, Beweiber, palastern, exen, knüppen, synteln. Die Zeitungen werben für Produkte wie Onkal, Spüral, Anengler und Kitzimobil (Kitzelant, Kitz). Überschrift einer Meldung im Lokalteil des »Herald« : Von Mutternteil zu Mutternteil. Der Text handelt von einem Eiboten, der die Eierei verwechselt habe. Ich zitiere den Großen Webster: »Mutternteil, analog zu Elternteil, Hinternteil. Eine von zwei Frauen, die

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