Der Gärtner von Otschakow
Licht, in seinem Haus. Tschagins Gesicht schien wie gemacht, um Feindseligkeit und Drohung auszudrücken. Auf Tschagins Gesicht könnte kein gutmütiges oder heiteres Lächeln erscheinen. Er könnte niemals mit den Augen lächeln. Und wozu auch? Er war für anderes geschaffen. Er war geschaffen als Quelle und Verbreiter von Aggression und Wut. Auch das war ja Energie, fast wie Elektrizität. Und konnte, ebenso wie Elektrizität, töten. ›Und ich?‹, überlegte Igor. ›Wer bin denn ich? Stepan ist ein Gärtner. Tschagin ist ein Förster. Und ich?‹
Der Zweifel bremste Igors Gedanken und ließ ihn erschauern, er tat sich leid wie ein im Wald verirrtes Kind. Er stellte sich dieses Kind sogar vor – vielleicht fünf Jahre alt, in kurzen Hosen und T-Shirt, verängstigt sich umsehend, umgeben von endlosen hohen Kiefernstämmen.
»Wald«, sagte Igor. »Nein.« Plötzlich lachte er über sich selbst und seine Gedanken von eben. »Alles in Ordnung. Ich bin an einem Scheideweg, aber ich weiß, wohin ich muss… Ein paar Stunden verbringe ich noch in diesem Wald, und dann – zurück, in den Garten! Ein paar Stunden tue ich noch so, als wäre ich ein Förster. Und Schluss! Nie mehr einen Fuß in den Wald!«
Das Lächeln auf seinem Gesicht war selbstbewusst und beinah hochmütig. Igor zog den Gürtel zurecht, überprüfte, ob das Halfter zu war, setzte die Mütze auf und ging, in der Hand fest den Messergriff, leise aus dem Zimmer.
Im Haus war es still. Als Igor aus der Haustür trat, schob [329] er sie nicht bis zum Einschnappen zu. Die Tür sah verschlossen aus, doch konnte man ohne Schlüssel und ohne Geräusch hinein.
Das nächtliche Otschakow atmete tiefen Herbst. Das Laub unter den Füßen raschelte nicht, sondern schmatzte, vollgesaugt mit der Feuchtigkeit der Luft. Kein einziges Licht glimmte in den Fenstern der Häuser, kein Zweig knackte, kein Laut ertönte.
Igor ging ohne Eile und sah kaum auf den Weg. Die Stiefel wussten, wo ihr Besitzer hinmusste. Und brachten ihn zu Fimas Haus. Zum x-ten Mal jetzt blieb Igor unter dem Baum stehen, jenseits der Straße, am Gartentor. Er betrachtete das vertraute Haus. Rechts davon war das Dunkel weniger dicht. Dort hinaus ging das Fenster des Wohnzimmers, jenes Zimmers, in dem man versucht hatte, ihn zu vergiften.
Igor überquerte die Straße, so lautlos er konnte. Ohne Quietschen öffnete und schloss sich das Gartentor.
Er sah um die rechte Hausecke zum Fenster – dort brannte tatsächlich ein schwaches Licht.
»Du kannst nicht schlafen?!«, flüsterte Igor. »Das ist gut! Dann muss ich dich nicht wecken…«
Er kehrte zur Haustür zurück, hob das Messer in seiner Rechten vor die Augen und betrachtete es mit Respekt. Mit der linken Faust klopfte er zweimal an die Tür.
Er hörte Geräusche, Schritte.
»Wer ist da?«, fragte Fima hinter der Tür unfreundlich.
»Josip«, krächzte Igor, der versuchte, die schon ein paarmal gehörte Stimme zu imitieren.
Der innere Eisenriegel ging knirschend auf. Der [330] Metallhaken löste sich mit einem Klicken aus seinem Ring. Die Tür öffnete sich, und Igor trat ein und zwang den verblüfften Fima, einen Schritt nach hinten zu tun. Im Vorzimmer war es dunkel, und Fima erkannte nicht gleich, wer vor ihm stand. Doch selbst wenn er es erkannt hätte, es hätte kaum etwas an seinem Schicksal geändert.
Igor stieß sein Messer mit einer schnellen Aufwärtsbewegung unter Fimas Rippen. Leicht und rasch drang das Messer ein und traf nicht auf den geringsten Widerstand. Igor fürchtete sogar plötzlich, seine Hand würde mitsamt dem hölzernen Griff in diesem seltsamen, wie leeren Leib versinken. Aber da blieb der Griff stecken. Fima stand noch vor Igor, schnappte nach Luft und versuchte das schon Unaussprechbare auszusprechen. Er stand, während Igor den Griff immer stärker presste und spürte, dass das Messer immer schwerer wurde. Fimas Beine knickten ein, langsam, ächzend neigte er sich Igor entgegen. Igor stieß ihn von sich und ließ den Messergriff los. Fima fiel krachend auf den Rücken. Das Dröhnen seines Aufpralls lief über die Wände des Hauses und blieb in der Luft hängen.
Igor verschloss die Haustür, knipste das Licht an.
Fima lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Holzboden. Sein Bauch hob und senkte sich, und der Messergriff mit ihm. Igor verfolgte die Bewegungen des hölzernen Griffs. Er wollte, dass der stillhielt. Er war unzufrieden mit ihm. Fima hob den Kopf ein wenig und ließ ihn wieder sinken, seine Augen
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