Der Gärtner von Otschakow
fotografierst gut…«
»Ich möchte gern auch selbst entwickeln und abziehen, aber ich muss Fixierschalen kaufen. Und ein Vergrößerungsgerät mit Stativ.«
Igor zog ein paar Hunderter aus der Uniformhose, legte sie auf den Tisch und schob sie hinüber zu Wanja.
»Nimm! Kauf es dir!«
»Oh, danke! Sie… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Der Bursche war ganz verlegen vor überquellender Dankbarkeit.
»Sag nichts«, bemerkte Igor gleichgültig.
»Was haben Sie da eigentlich für eine Jacke? Ist das in Mode?«
»Das ist eine Windjacke. Wenn du willst, schenke ich sie dir.«
»Wirklich?«
Igor zog die Windjacke aus und übergab sie Wanja.
»Besteck habt ihr dort?« Igor deutete mit dem Kinn auf das Schränkchen in der Küchenecke.
Wanja nickte.
Igor ging hin und zog die obere Schublade auf. Sein Blick blieb an einem Küchenmesser mit festem Holzgriff hängen. Er nahm es in die Hand und drehte sich zu Wanja um.
»Hast du eine dünne Feile?«, fragte er.
»Alle Arten.«
»Bring sie her!«
Wanja verließ die Küche, kam mit einer Holzkiste zurück, stellte sie auf den Tisch und klappte sie auf.
»Hier.« Er breitete ein Stück Kunstleder aus, mit Taschen, [326] aus denen Nadelfeilen und andere, größere Feilen herausguckten.
Neugierig beobachtete Wanja den Gast. Sein Blick begann Igor nervös zu machen. Er schob das Küchenmesser in eine der Feilentaschen und wickelte alles wieder ein.
»Weißt du, beim nächsten Mal kommt an meiner Stelle ein anderer… Milizionär. Hilf ihm, zeig ihm die Stadt, erklär ihm alles.«
»Und Sie?«, fragte Wanja, plötzlich betrübt. »Ich habe mich schon an Sie gewöhnt…«
»Entwöhne dich wieder«, gab Igor nüchtern zurück. »Ich… ich quittiere… den Dienst… verlasse die Miliz…«
»Weil es gefährlich ist?«
»Ja.«
Igor wollte das Gespräch ungern fortsetzen. Er leerte seinen Wein und begab sich in das Zimmer mit dem alten Sofa. Dort knipste er das Licht an, setzte sich auf einen Stuhl, holte eine Nadelfeile und das Messer heraus und begann, die Messerklinge an der Kontaktstelle mit dem hölzernen Griff zu feilen.
Der Stahl ergab sich nur schwer. Schon schmerzte Igor die Hand, und die kleine Vertiefung in der Klinge war erst ein paar Millimeter tief. Igor verschnaufte und ließ das Messer auf die Knie sinken, wedelte mit den Fingern und machte sich wieder ans Feilen. Als Ergebnis seiner, wie ihm schien, ungeheuren Anstrengungen hatte er die Klinge noch anderthalb Millimeter weiter eingekerbt, und schon schmerzten die Finger, die die Feile pressten. Während er Luft holte, sah Igor noch einmal gründlich die Werkzeugsammlung in den Taschen des aufgerollten Kunstlederstreifens durch. Er wählte [327] eine Nadelfeile mit schärferer Kante. Und die Arbeit ging schneller voran.
Als die Klinge gründlich angesägt war und am Griff nur noch dank der verbliebenen zwei, drei Millimeter hielt, hörte Igor auf. Er betrachtete seine schmerzende rechte Handfläche und sah zwei aufgeplatzte Blasen, Ergebnis der ungewohnten und eiligen Anstrengung.
Er dachte an Stepan, erinnerte sich an seine »nützlichen Ratschläge« für das Messerstechen. Interessant, dass der Gärtner sich mit Messern auskannte! Ein Gärtner sollte sich in der Tiefe der Erde, bei den Pflanzlöchern für Blumen und Bäume auskennen und in anderen Feinheiten der Sorge um die Schönheit der Welt. Mit einem Messerstich macht man die Welt nicht schöner!
Müde lächelte Igor seinen eigenen Gedanken zu. ›Aber vielleicht doch?!‹, dachte er plötzlich. ›Denn der eine Messerstich macht das Leben und die Welt schrecklicher, und ein ganz anderer Messerstich, mit demselben Messer, kann die Welt, und das Leben, verschönern…‹
Igor dachte plötzlich daran, wie er jeden Frühling aus dem Erdkeller den Sack Karotten herausholte und sie auf Bitten der Mutter sortierte – er schnitt die fauligen Spitzen und Enden ab und ließ die festen roten Wurzelstöcke zum Essen übrig. Dann machte seine Mutter daraus Karotten auf koreanische Art, die er übrigens sehr mochte.
Komisch, warum fielen ihm diese Karotten ein? Wegen des Messers in seiner Hand?
Igor zuckte die Achseln, stand auf, wandte sich zum Sofa und betrachtete sein Abbild in dem alten, fleckigen Spiegel, der in die hohe Holzlehne eingelassen war.
[328] Dabei fletschte Igor die Zähne, überprüfte gleichsam, wie böse und zornig er aussehen konnte. Er dachte an Fima Tschagins Gesicht in der Dunkelheit auf jenem Pfad, und dann bei
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