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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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kommen. Dem Gouverneur eine Nachricht überbringen?
    »Warum rufen Sie ihn nicht an?« fragte er, ohne lange nachzudenken.
    Aber die Frage riß Mock nur aus seiner Versunkenheit.
    »Die unterirdischen Kabel sind gekappt. Es hat keinen Sinn, sie zu reparieren. Die Techniker werden niedergeschossen. Und selbst wenn man sie erneuert, werden sie beim nächstenmal wieder durchgeschnitten. Funk und Fernsehen sind gestört. Machen Sie sich fertig. Sie werden sich beeilen müssen, um vor dem Zapfenstreich das Südwest-Tor zu erreichen.«
    »Ein Paß genügt doch«, meinte Harry verständnislos. Verlor Mock den Verstand?
    »Habe ich es Ihnen nicht gesagt?« Mock fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Sie müssen sich allein auf den Weg machen, zu Fuß, als Bürger verkleidet. Einen Konvoi würde man vernichten. Wir haben es versucht. Wir stehen seit drei Wochen mit dem Gouverneur nicht mehr in Verbindung. Er wird ungeduldig sein. Man darf nicht zulassen, daß er ungeduldig wird. Das ist nicht gesund.«
    Zum erstenmal begriff Harry, was der Vorstand von ihm verlangte. Der Gouverneur! Er hatte es in der Hand, Harrys Suche nach der Unsterblichkeit um eine halbe Lebensspanne zu verkürzen. »Aber mein Examen –«
    »Der Gouverneur kann Ihnen mehr nützen als ein Dutzend Prüfungskommissionen.«
    Harry biß sich auf die Unterlippe und zählte an den Fingern ab: »Ich brauche Nasenfilter, eine kleine Arzttasche, eine Waffe –«
    Mock schüttelte den Kopf. »Nichts davon. Es würde nicht zur Verkleidung passen. Wenn Sie die Villa des Gouverneurs erreichen, dann nur, weil Sie als Bürger angesehen werden, nicht, weil Sie sich gut verteidigen oder nachher Ihre Wunden heilen können. Ein oder zwei Tage ohne Filter können Ihre Lebenserwartung nicht ernstlich beeinträchtigen. Nun, Doktor? Werden Sie es schaffen?«
    »So wahr ich mir die Unsterblichkeit erhoffe!« sagte Harry ernst.
    »Gut, gut. Noch etwas. Sie werden die Leute mitnehmen, die Sie im Vorraum gesehen haben. Der Junge heißt Christopher; der alte Mann nennt sich Pearce. Er ist eine Art Quacksalber. Der Gouverneur hat nach ihm verlangt.«
    »Ein Quacksalber?« fragte Harry ungläubig.
    Mock hob die Schultern. Sein Gesichtsausdruck verriet, daß er den Ausruf für unverschämt hielt, aber Harry vermochte sich nicht zu beherrschen; er sagte: »Wenn wir einmal an solchen Leuten ein Exempel statuieren würden –«
    »Wären die Ambulatorien noch stärker überfüllt als jetzt. Sie dienen einem guten Zweck. Außerdem, was sollen wir machen? Er behauptet ja nicht, Arzt zu sein. Er nennt sich einen Heilenden. Er verteilt keine Medikamente, er operiert und berät nicht. Kranke Menschen kommen zu ihm, und er berührt sie. Berührt sie. Kann man das Praktizieren nennen?«
    Harry schüttelte den Kopf.
    »Pearce verlangt nichts. Er läßt sich nichts bezahlen. Nichts. Wenn die Kranken dankbar sind, wenn sie ihm etwas geben wollen, wer kann sie daran hindern?«
    Harry seufzte. »Ich muß ja einmal schlafen. Sie werden entfliehen.«
    »Ein schwacher alter Mann und ein Junge?« meinte Mock verächtlich.
    »Das Mädchen ist sehr lebendig.«
    »Marna?« Mock griff in eine Schublade und warf ihm einen großen, silbernen Ring zu, der sich an einem Scharnier auseinanderklappen ließ. Harry sah ihn an.
    »Das ist ein Armreif. Stecken Sie ihn an.«
    Der Gegenstand sah wirklich nur wie ein harmloser Armreif aus. Harry schob ihn achselzuckend über das Handgelenk und ließ ihn zuschnappen. Einen Augenblick lang schien er zu groß zu sein, dann verengte er sich. An den Stellen, wo der Reif die Haut berührte, spürte er ein Prickeln.
    »Er ist auf den Armreif am Handgelenk des Mädchens eingestellt. Eingestellt. Wenn das Mädchen sich von Ihnen entfernt, wird ihre Haut prickeln. Je weiter sie fortgeht, desto weher tut es. Nach einer Weile wird sie zurückkommen. Ich hätte auch gerne den alten Mann und den Jungen mit einem Reif versehen, aber sie sind nur paarweise verwendbar. Paarweise. Wenn jemand versucht, den Reif mit Gewalt abzunehmen, wird das Mädchen sterben. Sterben. Es wird an das Nervensystem angeschlossen. Der Gouverneur hat den einzigen Schlüssel.«
    Harry starrte Mock an. »Und was ist mit meinem Reifen?«
    »Da gilt das gleiche. Für Sie ist es als Warnung gedacht.«
    Harry atmete tief ein und starrte auf sein Handgelenk hinunter. Das Silber schimmerte wie die flachen Augen einer Schlange.
    »Warum haben Sie nicht den Arzt damit ausgerüstet?«
    »Das haben wir getan.

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