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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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ungeformt in einem einfachen, braunen Kleid mit einem Gürtel um die Hüften. Sie kann nicht älter als zwölf oder dreizehn Jahre sein, dachte er.
    Der Empfangskasten mußte die Frage zweimal stellen: »Name?«
    »Dr. Harry Elliott«, sagte er.
    »Herantreten zur Kontrolle.«
    Er trat an die Wand und drückte die rechte Hand an eine Platte. Ein Licht blitzte vor seinem rechten Auge auf und verglich das Netzhautmuster.
    »Alle Metallgegenstände in den Behälter legen«, erklärte der Kasten.
    Harry zögerte, dann zog er sein Stethoskop aus der Tasche, nahm seine Uhr ab, entfernte Münzen, Taschenmesser und Hypo-Spray aus den Hosentaschen.
    Es knackte.
    »Nasenfilter«, sagte der Kasten.
    Harry legte auch sie in den Behälter. Das Mädchen beobachtete ihn, aber als er hinübersah, schlug es die Augen nieder. Eine Tür öffnete sich. Er trat hindurch. Die Tür schloß sich hinter ihm.
    Das Arbeitszimmer von Vorstand Mock war ein prächtiger Raum, zehn Meter lang und sechs Meter breit, in viktorianischem Stil möbliert. Die Möbelstücke sahen alle aus, als seien sie echte Antiquitäten, vor allem das Rollpult aus Eiche und der Instrumentenschrank aus Mahagoni.
    Das Zimmer wirkte üppig und eindrucksvoll. Harry selbst hatte jedoch eine Vorliebe für den modernen Stil des zwanzigsten Jahrhunderts. Die klaren Linien von Chrom und Glas waren ästhetisch und angenehm anzusehen, überdies stammten sie aus der respektablen Frühzeit der medizinischen Wissenschaft – aus der Periode, als die Menschheit zum erstenmal begriff, daß Gesundheit nichts Zufälliges war, sondern daß sie gegen Bezahlung erworben werden konnte, wenn man bereit war, den Preis zu bezahlen.
    Harry hatte Mock früher schon gesehen, aber nie mit ihm gesprochen. Seine Eltern konnten das nicht begreifen. Sie glaubten, er sei die wichtigste Persönlichkeit im Medizinischen Zentrum, weil er Arzt war. Er versuchte ihnen immer wieder klarzumachen, wie groß diese Einrichtung sei, wie viele Menschen sich dort aufhielten; fünfundsiebzigtausend, hunderttausend – nur die Statistiker wußten, wie viele es genau waren. Es nützte aber nichts, sie begriffen es nicht. Harry hatte es längst aufgebeben, sie belehren zu wollen.
    Der Vorstand kannte Harry nicht. Er saß hinter dem Rollpult in seiner weißen Jacke und studierte Harrys Personalakte, die auf der Milchglasscheibe erschien. Das schwarze Haar des Vorstands begann sich zu lichten. Er war jetzt fast achtzig Jahre alt, aber man sah es ihm nicht an. Er stammte von gesunden Ahnen ab und hatte erstklassige ärztliche Pflege genossen. Er war für weitere zwanzig Jahre gut, schätzte Harry, ohne Langlebigkeitsspritzen. Bis dahin würde man ihm bei seiner Stellung und seinen Leistungen sicherlich eine Gnadenfrist zubilligen.
    Als einmal der Strom ausgefallen war, hatte einer der Ärzte in der sicheren Dunkelheit geflüstert, Mocks jugendliches Aussehen habe eine einfachere Ursache als Vererbung, aber das stimmte nicht. Harry hatte die Listen überflogen und Mocks Namen nicht gefunden. Mock hob hastig den Kopf und ertappte Harry dabei, wie er ihn anstarrte. Harry sah zur Seite, aber nicht, bevor er in Mocks Augen einen Ausdruck von – was nun gleich – Angst? Verzweiflung? – gesehen hatte.
    Harry konnte das nicht begreifen. Der Angriff war tollkühn gewesen, so nahe an den Mauern des Zentrums, aber nichts eigentlich Neues. Es hatte früher schon Angriffe gegeben, und sie würden nicht aufhören. Immer, wenn es etwas Wertvolles zu holen gibt, werden gesetzlose Menschen versuchen, es zu stehlen.
    Jetzt war es eben die Medizin.
    Abrupt sagte Mock: »Dann haben Sie den Mann also gesehen? Sie würden ihn wiedererkennen, wenn Sie ihm noch einmal begegnen, oder wenn Sie ein gutes Solidogramm vorgelegt bekämen?«
    »Jawohl, Sir«, sagte Harry. Warum dramatisierte Mock die Angelegenheit so? Er hatte sie doch bereits mit dem Oberarzt und dem Chef der Polizei besprochen.
    »Kennen Sie Gouverneur Weaver?« fragte Mock.
    »Ein Unsterblicher!«
    »Nein, nein«, sagte Mock ungeduldig. »Wissen Sie, wo er wohnt?«
    »In der Gouverneurs-Villa. Sechzig Kilometer von hier, fast genau in westlicher Richtung.«
    »Ja, ja«, sagte Mock. »Sie werden ihm eine Botschaft überbringen. Die Lieferung ist gestohlen worden. Es wird eine Woche dauern, bis die nächste Lieferung bereit ist. Wie wir sie ihm zustellen sollen, weiß ich nicht. Ich weiß es nicht.« Die letzten Worte murmelte er vor sich hin.
    Harry versuchte hinter den Sinn zu

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