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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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und er war Teil der erstaunten Zuschauerschaft, als der Arzt zu Boden fiel und der Mann sich bückte, die Flammen mit bloßer Hand löschte, den Gegenstand aus der Hand des Arztes löste und zur Tür der Ambulanz starrte. Dort stand ein Mädchen, das Harry erst jetzt auffiel. Von dieser Entfernung aus konnte er wenig mehr sagen, als daß es dunkelhaarig und schlank war.
    Die Flammen auf dem Fahrzeug waren ausgebrannt. Das Mädchen stand an der Tür, ohne sich zu bewegen. Der Mann neben dem zusammengebrochenen Arzt sah es an, wollte ihm die Hand entgegenstrecken, ließ sie fallen, drehte sich um und verschwand in der Menge.
    Seit dem Aufheulen der Sirenen waren kaum zwei Minuten vergangen.
    Stumm drängten die Bürger nach vorn. Das Mädchen drehte sich um und stieg wieder in die Ambulanz. Die Bürger zogen den Motorradfahrern die Kleidung aus, nahmen ihnen die Waffen ab, holten die schwarze Arzttasche und die Medikamente aus dem Wagen, nahmen ihre zusammengebrochenen Kameraden auf und verschwanden.
    Es war wie ein Zauber. Einen Augenblick zuvor war die Straße noch voll von ihnen gewesen – im nächsten waren sie verschwunden. Die Straße war menschenleer.
    Hinter den Mauern des Medizinischen Zentrums begannen die Sirenen wieder zu heulen.
    Es war, als löse sich ein Bann. Harry begann die Straße hinunterzulaufen und zu schreien.
    Aus der Ambulanz stieg ein Junge. Er war schlank und klein – nicht älter als sieben Jahre. Er hatte blondes, ganz kurz geschnittenes Haar und dunkle Augen in einem gebräunten Gesicht. Er trug ein altes Unterhemd, das einmal weiß gewesen sein mochte, und Blue jeans, die über den Knien abgeschnitten waren.
    Er griff mit einem Arm in den Wagen. Eine vergilbte Klaue kam heraus, dann ein Arm. Der Arm war hager und ausgezehrt, mit wulstigen blauen Venen. Dann erschien ein Mann mit langen, stelzenartigen Beinen. Er war sehr alt, hatte dünnes, weißseidenes Haar, und seine Kopfhaut gleich runzligem Leder. Er trug eine abgeschabte Tunika, die sich in Falten um seine Lenden legte.
    Der Junge führte den alten Mann langsam, weil der Mann blind war. Seine Lider lagen flach und dunkel über leeren Augenhöhlen. Der alte Mann bückte sich mühsam über den am Boden liegenden Arzt, und seine Finger untersuchten den Schädel. Dann schlurfte er zu dem Motorradfahrer, der von der Ambulanz überfahren worden war. Der Brustkasten des jungen Mannes war eingedrückt; rosaroter Schaum zeigte sich auf seinen Lippen.
    Er war so gut wie tot. Die Medizin konnte bei derart schweren Verletzungen nichts mehr unternehmen.
    Harry erreichte den alten Mann und packte ihn an der knochigen Schulter. »Was tun Sie denn da?« fragte er mißtrauisch und aufgebracht.
    Der alte Mann rührte sich nicht. Er hielt die Hand des Motorradfahrers eine Weile fest, dann richtete er sich langsam auf.
    »Ich heile«, flüsterte er.
    »Der Mann stirbt«, schrie Harry.
    »Das tun wir alle«, sagte der alte Mann.
    Harry starrte auf den Motorradfahrer hinunter. Atmete er leichter, oder war das Einbildung?
    In diesem Augenblick kamen die Männer mit den Tragbahren heran.
     
2.
     
    Es war nicht leicht für Harry, das Büro des Vorstands zu finden. Das Medizinische Zentrum umfaßte Hunderte von Straßenblocks und war durch eigenen Antrieb gewachsen. Niemand hatte eine solche Größe je geplant, aber hier war ein Ableger entsprossen, sobald das Verlangen nach ärztlicher Pflege und Forschung nicht mehr genügend Platz fand, dort ein Flügel und Arterien mittendurch, darunter und außenherum …
    Er folgte dem schimmernden Leitstab durch die nicht gekennzeichneten Korridore und versuchte, sich die Route zu merken. Aber es war zwecklos. Er steckte den Stab in das Schloß einer gepanzerten Tür. Die Tür verschluckte den Stab und öffnete sich. Als Harry eingetreten war, klappte die Tür zu und verriegelte sich automatisch. Er befand sich in einem unmöblierten Vorraum. Auf einer im Boden verschraubten Metallbank an der Wand saßen der Junge und der alte Mann aus dem Ambulanzwagen. Der Junge hob neugierig den Kopf, dann kehrte sein Blick auf die gefalteten Hände zurück. Der alte Mann hatte sich an die Wand gelehnt.
    Ein Stück entfernt saß ein Mädchen. Es sah aus wie das Mädchen, das er in der Tür der Ambulanz gesehen hatte, aber es war kleiner und jünger, als er angenommen hatte. Die blauen Augen in dem blassen Gesicht leuchteten auf, verblaßten aber sogleich wieder. Er richtete den Blick auf die Figur; sie war jungenhaft und

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