Der Gang vor die Hunde (German Edition)
auch durch eine Scheibe in der Tür zu seinem Zugabteil. Frauen sind im Gegensatz zu dem melancholischen Fabian die Handelnden in diesem Roman; sie sind – ebenso wie das Kind, das Fabian am Ende retten will – überlebenstüchtig.
Zur Rezeptionsgeschichte
Beim Publikum war
Fabian
sofort ein Erfolg, die broschierte Parallelausgabe war innerhalb einer Woche vergriffen, und Anfang November 1931 wurde bereits das 6 . bis 10 . Tausend der gebundenen Ausgabe gedruckt. »Hoffentlich geht das so weiter«, schrieb Kästner ( 30 . 10 . 1931 , MB ). Im März 1932 war das 25 . Tausend erreicht; zur gleichen Zeit erschienen die ersten ausländischen Ausgaben.
Verrisse in rechtsradikalen Blättern waren zu erwarten gewesen, für den
Völkischen Beobachter
war der Roman selbst in seiner entschärften Version »Gedruckter Dreck«, »Schilderungen untermenschlicher Orgien«, eine »Sudelgeschichte«. [73] Diese Reaktion und auch die wenigen Verrisse einiger bürgerlicher Blätter waren Kästner ziemlich egal, solange sich der Roman trotzdem verkaufte. Dass er, bei aller Empfindlichkeit, gut mit Kritik umgehen konnte, zeigt etwa ein Brief an den Verleger und Schriftsteller Friedrich Michael: »Daß Ihnen der ›Fabian‹ nicht gefallen hat, war ja nun wirklich kein Anlaß, daß Sie so lange nichts von sich hören ließen. Sie vermuten ganz richtig, daß ich diese Dinge, die Sie formal ablehnen, absichtlich so deformiert und direkt geliefert habe.« (B, S. 40 )
Die übrigen Rezensionen waren überwiegend positiv, besonders vonseiten anderer Autoren wie Rudolf Arnheim, Hans Fallada, Hermann Hesse, Monty Jacobs, Alfred Kantorowicz, Hermann Kesten, Robert Neumann und Franz Schoenberner. Heinrich Mann schrieb Kästner einen Dankesbrief, der
Fabian
habe ihm »wirkliche Theilnahme abgewonnen«, man werde bei der Lektüre »sentimental, ohne daß Sie es sind«, der Roman gebe »Vergnügen für den Leser inmitten seiner Ergriffenheit« (B, S. 37 ). Walter Bauer sah in
Fabian
»eine von Verzweiflung durchtränkte Bestandsaufnahme«. Wilhelm E. Süskind erkannte Atmosphäre, die »in der mühelosen Weise des guten Films« geschaffen sei, »wie überhaupt eine Verwandtschaft dieser Prosa mit der Prosa, der Diktion des Films unverkennbar ist«. Julius Bab hielt den
Fabian
zwar für »kein episches Meisterwerk«, es gebe »wenig Tempo und viel Wiederholungen«; aber jenseits der technischen Kritik ernannte er den Roman zur Hamlet-Version seiner Generation und sah ihn in einer Reihe mit
Werther, Adolphe
und
Oblomow
. Ähnlich argumentierte, zu Kästners Ärger, sein früherer Lehrer bei der
Neuen Leipziger
Zeitung
, Hans Natonek. Große moralische Zusammenhänge wollten sich ihm nicht einstellen; Kästner sei zwar der »stärkste Episodist und Epigrammatiker unter den jüngeren Erzählern«, aber die »Fabel ist nicht die Stärke dieses Buches«. Kästner fand diese Besprechung »halblapperig«, »[i]mmer gelobt und dann wieder gebremst, er kann nun mal nicht aus seiner Haut heraus« ( 15 . 11 . 1931 , MB ). Joachim Maass verglich
Fabian
zwar lobend mit
Ginster
, Siegfried Kracauers unter Pseudonym veröffentlichtem Roman; aber er zweifelte, dass die »Dinge, die hier beleuchtet werden«, noch typisch seien. »Jene ausweglose Unzucht etwa, […] die vor zwei, drei Jahren wirklich noch eine weit unter unserer Jugend verbreitete Zeitkrankheit war, ist heute typisch nur noch für eine belanglose, verrottete Jugend von Berlin W; für die Jugend des übrigen Deutschlands aber sind andere Phänomene, die politische Radikalisierung, die Abwendung vom Intellekt, weit typischer.« Schließlich sprach Maass dem Roman, besonders in Hinblick auf den Schluss, das ›Moralische‹ überhaupt ab – »weil weder Fabian als Gestalt, noch in seiner Geschichte als moralistische Idee oder Gestalt das Schwimmen gelehrt wird«. Einen scharfen und genau argumentierenden Verriss schrieb Else Rüthel. Wie zuvor Walter Benjamin in seiner berühmten Polemik, warf auch sie Kästner vor, im
Fabian
die Wahrheit nur halb ausgesprochen und nicht wirklich Stellung bezogen zu haben. Kästners Anliegen formulierte sie ebenso exakt und zutreffend wie auch die Bedeutung des Romanschlusses. Sie bemängelte, dass nicht einmal Fabians Arbeitslosigkeit ihm den »Tatbestand der wachsenden Proletarisierung seines Standes und dessen Konsequenzen zum Bewußtsein« bringe.
Fabian
zeige »abschreckend, anfeuernd klar, woher wir kommen«. Rüthel war der ganze Roman zu
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