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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Schwerindustrie. Sie liefert ihre Produkte zu Verlustpreisen ins Ausland, aber sie verkauft sie innerhalb unserer Grenzen über dem Niveau des Weltmarkts. Die Rohmaterialien sind zu teuer; der Fabrikant drückt die Löhne; der Staat beschleunigt den Schwund der Massenkaufkraft durch Steuern, die er den Besitzenden nicht aufzubürden wagt; das Kapital flieht ohnedies milliardenweise über die Grenzen. Ist das etwa nicht konsequent? Hat der Wahnsinn etwa keine Methode? Da läuft doch jedem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammen!«
    »Ich bin ein Schwein«, murmelte Münzer und fing mit vorgeschobener Unterlippe die Tränen auf.
    »Sie überschätzen sich, Verehrter«, sagte der Handelsredakteur. Münzer zog, während er weiter weinte, ein gekränktes Gesicht. Er war entschieden beleidigt, daß man ihn darin hindern wollte, das zu sein, wofür er sich, wenn auch nur im betrunkenen Zustand, hielt.
    Malmy fuhr mit Vergnügen fort, die Situation zu klären. »Die Technik multipliziert die Produktion. Die Technik dezimiert das Arbeitsheer. Die Kaufkraft der Massen hat die galoppierende Schwindsucht. In Amerika verbrennt man Getreide und Kaffee, weil sie sonst zu billig würden. In Frankreich jammern die Weinbauern, daß die Ernte zu gut gerät. Stellen Sie sich das vor. Die Menschen sind verzweifelt, weil der Boden zu viel trägt! Zu viel Getreide, und Andere haben nichts zu fressen! Wenn in so eine Welt kein Blitz fährt, dann können sich die historischen Witterungsverhältnisse begraben lassen.« Malmy stand auf, wankte ein wenig und schlug ans Glas. Die Umsitzenden sahen ihn an.
    »Meine Herrschaften«, rief er, »ich will eine Rede halten. Wer dagegen ist, der stehe auf.«
    Münzer erhob sich mühsam.
    »Der stehe auf«, rief Malmy, »und verlasse das Lokal.«
    Münzer setzte sich wieder, Strom lachte.
    Nun begann Malmy seine Rede: »Wenn das, woran unser geschätzter Erdball heute leidet, einer Einzelperson zustößt, sagt man schlicht, sie hat die Paralyse. Und sicher ist Ihnen allen bekannt, daß dieser äußerst unerfreuliche Zustand mitsamt seinen Folgen nur durch eine Kur heilbar ist, bei der es um Leben und Tod geht. Was tut man mit unserem Globus? Man behandelt ihn mit Kamillentee. Alle wissen, daß dieses Getränk nur bekömmlich ist und nichts hilft. Aber es tut nicht weh. Abwarten und Tee trinken, denkt man, und so schreitet die öffentliche Gehirnerweichung fort, daß es eine Freude ist.«
    »Lassen Sie doch diese ekelhaften medizinischen Vergleiche!« rief Strom. »Ich bin nicht fest auf dem Magen.«
    »Lassen wir die medizinischen Vergleiche«, sagte Malmy. »Wir werden nicht daran zugrunde gehen, daß einige Zeitgenossen besonders niederträchtig sind, und nicht daran, daß andere besonders dämlich sind. Und nicht daran, daß einige von diesen und jenen mit einigen von denen identisch sind, die den Globus verwalten. Wir gehen an der seelischen Bequemlichkeit aller Beteiligten zugrunde. Wir wollen, daß es sich ändert, aber wir wollen nicht, daß wir uns ändern. Wozu sind die andern da?, denkt jeder und wiegt sich im Schaukelstuhl. Inzwischen schiebt man von dorther, wo viel Geld ist, dahin Geld, wo wenig ist. Die Schieberei und das Zinszahlen nehmen kein Ende, und die Besserung nimmt keinen Anfang.«
    »Ich bin ein Schwein«, murmelte Münzer, hob sein Glas und hielt es vor den Mund, ohne zu trinken. So blieb er sitzen.
    »Der Blutkreislauf ist vergiftet«, rief Malmy. »Und wir begnügen uns damit, auf jede Stelle der Erdoberfläche, auf der sich Entzündungen zeigen, ein Pflaster zu kleben. Kann man so eine Blutvergiftung heilen? Man kann es nicht. Der Patient geht eines Tages, über und über mit Pflastern bepflastert, kaputt!«
    Der Theaterkritiker wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah den Redner bittend an.
    »Lassen wir die medizinischen Vergleiche«, sagte Malmy. »Wir gehen an der Trägheit unserer Herzen zugrunde. Ich bin ein Wirtschaftler und erkläre Ihnen: Die Gegenwartskrise ohne eine vorherige Erneuerung des Geistes ökonomisch lösen zu wollen, ist Quacksalberei!«
    »Es ist der Geist, der sich den Körper baut«, behauptete Münzer und warf sein Glas um. Dann schluchzte er laut auf. Er bekam jetzt das heulende Elend in ganz großem Maßstab. Und Malmy mußte, um den Kollegen zu übertönen, noch lauter sprechen. »Sie werden einwenden, es gebe ja zwei große Massenbewegungen. Diese Leute, ob sie nun von rechts oder links anmarschieren, wollen die Blutvergiftung heilen,

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