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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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entspricht …«
    Sie hob ihr Glas, und Archie hob reflexhaft seines, kniff dann aber die Augen zusammen und fragte sich, ob er reingelegt worden war.
    »Weiß nicht, ob ich dir da folgen kann …«
    »Die ganze Atmosphäre dieser Kneipe«, sagte Rose, wandte sich effekthascherisch an ein unsichtbares Publikum und schwang sich dazu auf, hier mehr als eine bloße Komparsin zu sein. »Das ist doch eine Zuflucht vor den Verwüstungen des Markts. Wie heißt es so schön? ›Nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit verschwunden ist –‹«
    »Ich versteh von deinem Kauderwelsch so gut wie nichts, und selbst dieses Bisschen hätt ich lieber nicht verstanden.« Diesen Satz brachte Archie wieder mit Aplomb vor, triumphierte in seiner geheiligten Ignoranz. Er wurde mit weit mehr beifälligem Lachen überschüttet, als man den vereinzelt herumsitzenden Trinkern zugetraut hätte.
    Unbeirrt machte sie weiter, stellte sich gegen die Ausgelassenheit, schoss sich aber auf Archie ein. Vergiss den Raum. Sie hatte den Raum längst vergessen. »Machen wir uns doch nichts vor, Archie, ich erkenne eine Kommune, wenn ich eine sehe.«
    »So redest du hier nicht«, zischte er. Der Witz ging auf seine Kosten, und er scheute keine Mühen, sie wieder reinzuholen.
    »Ja, ich bin Kommunistin, sieh mal genau hin. Ich bin eine Frau und eine Kommunistin, und ich geh dir unter die Haut. Ich kenn den Blick in deinen Augen, den kenn ich schon ein ganzes Leben.«
    »Schluss damit!« Er lehnte sich verschwörerisch zu ihr herüber, suchte den Raum nach einem Spion ab, einem Maulwurf unter seinen Zechbrüdern. Aber niemand achtete auf ihn. Snowden, Pivnik, Hefner, Van Ranseleer – alle waren wie abgeschaltete Maschinen, Marionetten mit abgeschnittenen Fäden, außer wenn Archie sich direkt an sie wendete.
    »Ich liebe dich –«, setzte sie an.
    Er zerrte sie am Arm vom Barhocker, drehte den Kopf aufgebracht hin und her, die weißen Haare wirr verstrubbelt. Voller Panik fletschte er die Zähne. »Komm mit! Komm nach hinten, hier vorne können wir nicht reden.« Rose wurde in den Lagerraum der Bar geschoben, stand im Licht einer nackten Glühbirne zwischen Pappkartons mit vollen und leeren Flaschen.
    »Und jetzt hörst du mir mal gut zu.«
    »Halt mich fest.« Seine Pranke hielt immer noch ihren Oberarm gepackt. Jetzt riss er sie weg, als hätte er sich verbrannt.
    »Versteh mich nicht falsch, Rose, du bist ’ne attraktive Lady, aber Mann, ich hab zu Hause ’ne Frau.«
    Rose wusste gut, ja allzu gut Bescheid über die rührselige kreischende Edith und die unbequemen Wahrheiten, vor denen dieser Mann Tag für Tag Reißaus nahm – die eintönige Wiederkehr von kaltem Speck und Ei, die Lieder zum Mitsingen am verstimmten Klavier, Sachen, die selbst dieses Trampeltier nicht länger ertrug. Wie konnte sie ihm erklären, dass sie sich auf diesem Gebiet nur zu gut auskannte und alle Ambitionen verloren hatte, einer Frau ihren Mann auszuspannen? Ihr reichte es, wenn Archie sie mal in den Arm nahm. Oder mit ins Bett. Doch wie sollte sie ihm das verklickern, ohne die kleine Festung zu schleifen, die er um seine Verzweiflung errichtet hatte? »Jetzt hörst du mir mal zu, Archie. Glaubst du, ich wäre in einem Vierteljahrhundert in unterwanderten Zellen keine Meisterin darin geworden,die Gosche zu halten? Glaub mir, ich werde Geheimnisse von globaler Bedeutung mit ins Grab nehmen. Klar bin ich mein Leben lang ein Feind bürgerlichen Anstands gewesen, das heißt aber nicht, dass ich dir dein Heim zerstören will. ›Seien Sie im Eheleben regelmäßig und ordentlich wie ein Bürger, um in ihren ehebrecherischen Affären stürmisch und originell zu sein.‹ Hat Flaubert gesagt. Ich bring dir Doppeldenk bei, Archie, nur nimm mich um Gottes willen, an den ich nicht glaube, in den Arm.«
    Archie war anzusehen, dass er sich dem Siedepunkt näherte. Seine Augen traten vor, Haferbrei mit platzenden Dampfbläschen. Sie wollte seine Kalbswangen mit den Händen aufrütteln und ihn anschreien Bubbelah ! Sie wollte seine Hängebacken anknabbern.
    »Ich habe dich als meinen letzten Liebhaber erwählt. Der Traum deines Lebens, Archie, nur willst du ihn nicht wahrhaben. Eine Rote ficken.«
    Er gaffte sie verwundert an. »Wir sind nicht füreinander geschaffen, verstehst du das nicht?«
    »Warum nicht?«
    »Ganz einfach, Rose. Juden und Christen passen so gut zusammen wie Bimbos und Schlitzaugen.«
    Archie war allein und doch nie ohne

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