Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
Rica? –, um etwas anderes als Fehler auf listen zu können.
Niemand fühlte sich bemüßigt, Freds nächste Besprechung mit El Destruido zu übersetzen. »Yo me encargo del cantante, quien me divierte mucho«, sagte der Waldbandit. »Quiere ver combate, pero no sabe lo qué es.«
»Entonces, ¿vas a dejar a la mujer conmigo?«, fragte der Amerikaner dagegen.
» Yo sé que eso es lo que quieres, mi amigo.«
Und dann hatten sie Tommy weggebracht.
Fred der Kalifornier hatte sie auf diese Lichtung gebracht, wo er sein eigenes Lager aufgeschlagen hatte, ein Stück entfernt von El Destruido und seinen Männern, wo sie dann sehr viel Angst bekam und wo ihr die Bedeutung des spanischen Wortwechsels zwischen El Destruido und Fred dem Kalifornier so klar wurde, als hätten sie sich auf Englisch unterhalten. Und warum auch nicht? Sie hatte diese Sprache ihr ganzes Leben lang gehört und nur nicht verstanden, weil sie sich geweigert hatte.
»Ich nehme den Sänger, er amüsiert mich. Er möchte Kämpfe sehen, aber er weiß nicht, was Kämpfen heißt.«
»Die Frau lässt du mir?«
»Ich weiß, dass du sie willst, mein Freund.«
—
Anfang März waren sie in einem klapprigen Bus über alptraumartige Serpentinenpässe aus Costa Rica gekommen, in Gesellschaft einer Organisatorengruppe vom American Friends Service Committee, die sich León vor dem Fall anschauen wollte. Es hieß, es sei nur noch eine Frage von Wochen, bis die Sandinisten die Stadt einnehmen würden. Tommy übernahm die Rolle des kämpfenden Folksängers plus Ethnomusikologen, Seeger und Lomax in humanitärer Verpackung, was nicht unwillkommen war. Die Revolution war eine Party mit gelegentlichen Bombardements, jedenfalls wenn man nicht wusste, wie die Stadt vor dem Einsturz der ganzen Gebäude ausgesehen hatte, und es einem nichts ausmachte, hier und da einen Bogen um fliegenbesetzte Leichen in Uniform machen zu müssen. In León gewöhnten sie sich dann schnell an die Gesellschaft der sandinistischen Dichter und Revolutionäre, die ihre kubanischen Waffen unter Tischen mit kondenswasserbetauten kalten Bierflaschen und mit nacatamal und quesillo überhäuften Papiertellern verstauten. Die verschiedenen Fraktionen waren endlich penibel verschmolzen, die Borgesen und die Pastoralen durch Unumgänglichkeit und Martyrium auf Linie gebracht, und hinter ihnen scharte sich das aufgerüttelte Volk und wollte eine echte Revolution machen. Somozas Einfluss schien zumindest in León auf die mobilisierte Nationalgarde und die Luftwaffe geschrumpft zu sein, deren unter der Wolkendecke kreischende Maschinen aussahen, als würden sie es kaum über die Berge schaffen.
Die ganze Nacht hörte man sandinistische Volkslieder. Tommy lernte sofort drei oder vier davon und merkte sich das Spanisch phonetisch. Angesichts seiner saumseligen Muse hätte er mit einem Album anglisierter Cover-Versionen der Lieder liebäugeln können, aber irgendwann hätten Rohübersetzungen ihn gezwungen einzusehen, dass sich die Texte hauptsächlich darum drehten, wie man die von der Guardia erbeuteten Gewehre zerlegte und nachlud. Miriam schubste ihn dann in Richtung semblanza – Porträts gleichsam, musikalischen Schnappschüssen der Menschen, die kurz davor standen, ihr Land zurückzufordern. Letztlich eine Neuauflage von Bowery of the Forgotten, aber diesmal statt der Wehklagen des Blues der Triumphalismus der Trova. Er überarbeitete sogar ein paar sandinistische Melodien und strich die Anspielungen auf die Artillerie aus sowjetischer Produktion. Schon eine ganze Zeit vor dem Aufbruch in die Berge, wo er weitere charismatische Guerilleros suchen wollte, hatte Tommy fast genug Material für ein Album zusammen, das er im Hotelzimmer Abend für Abend bis zum Erbrechen aufpolierte. Er sagte, diesmal wolle er auf den Folkpurismus verzichten und sein Label dazu bringen, kubanische Musiker anzuheuern, die Akzent und Kolorit beisteuern sollten – das Maximum an musikalischer Begeisterung seit bestimmt einem Jahrzehnt. Welches Label?, dachte Miriam und biss sich auf die Zunge.
León zu verlassen und in die Berge zu kommen, wo die Kämpfer trainierten und aufklärten, erforderte ein bisschen Kreativität und Herumfragen: Tommys Folksong-Armeeprofil würde sie nicht an den Checkpoints der Guardia vorbeibringen. So gut wie überall wurden sie entmutigt, wurde ihnen abgeraten, bis sie eines Abends einem Kanadier über den Weg liefen, noch dazu dem Anführer einer botanischen Forschungsreise, die
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