Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
Amizigarette schnorren.
Eigentlich hatte Miriam in León schon ein Päckchen gekauft, Vantages mit der regenbogenbunten Zielscheibe, und sie hatte gestaunt, als würde sie in einem Trödelladen auf eine Reliquie stoßen. Erst danach hatte diese umnachtete Expedition in die Berge begonnen, underst danach hatten Tommy und sie den Botaniker kennengelernt, der vielleicht zur CIA gehörte. Am ersten Checkpoint hatten die Guardias ihr das Päckchen gestohlen, und dann hatte sie eine zurückgeschnorrt, als sie nach der Vernehmung zum Jeep zurückgekommen war und die drei jungen Soldaten gesehen hatte, die sich um den Schatz scharten. Einer riss das Zellophan auf und die anderen beugten sich vor, um sich eine zu schnappen und sich ein Streichholz zu teilen. Ob Miriam an diesem Berg gleich auf eine Egg Cream von Dave’s oder Mu-Shu-Schwein aus dem Jade Palace stieß? Eher unwahrscheinlich. Eine Vantage musste reichen. Weil sie nach der Vernehmung so unverfroren einen Sargnagel von den drei Männern geschnorrt hatte, die unter ihren Tarnuniformen und Patronengurten so jung waren, dass sie genausogut das puertoricanische Kontingent in der Mensa von Highschool 560 hätten sein können, zu dem sie rüberstolziert war, um Lorna Himmelfarb zu demonstrieren, dass sie keine Angst vor ihnen hatte und dass alle Menschen Brüder waren. Nun wirkten New Yorker Polizisten und Feuerwehrmänner so auf sie, auch Ballspieler, die Neuen bei den Mets, John Stearns und Lee Mazzilli.
Sie war ihr Leben lang auf ganze Männergruppen zugegangen und hatte sie verwirrt, viele davon in Uniformen wie die Phalanx auf den Stufen zum Capitol und dann die Aufseher im Knast von Washington DC; jetzt machten Guardias und Sandinisten auf sie einen gleichermaßen jungenhaften Eindruck. Die Ausnahmen? Die Ausnahmen waren das Problem. Der Botaniker, ja, aber schlimmer noch die beiden Männer, denen der Botaniker sie aus Idiotie oder Abgefeimtheit ausgeliefert hatte. El Destruido und Fred der Kalifornier. Der Guerilla-Chef El Destruido war ein schaurig krummer Krieger, seine ganze Haltung die einer Kreatur, die der Aufenthalt auf einem Planeten mit der zehnfachen Schwerkraft der Erde – Saturn oder Jupiter vielleicht – versklavt, aber auch gestärkt hat: Der schlammverkrustete Tarnanzug sackte durch, hing über den Patronengurt, Bizeps und Waden, die unter hochgekrempelten Ärmeln und Hosenbeinen zu sehen waren, waren groß, elastisch und unbehaart wie Abschnitte einer verdauendenPython. El Destruidos Schlapphut war am Horizont der Augenbrauen durchgewetzt, die Augen mit den Tränensäcken lagen immer im Schatten, und der Schnurrbart über dem komisch fliehenden Kinn gab ebenfalls der Schwerkraft nach und überzeugte ebensowenig wie die, die Miriam und Tommy sich damals zu Halloween angeklebt hatten.
»Bedeutet das ›Zerstörer‹?«, fragte Tommy. »Wessen Zerstörer?«
»Genauer gesagt ›der Zerstörte‹«, sagte der Botaniker.
»Sag ihm, ich werde einen Song über ihn schreiben.«
Nach einem kurzen spanischen Wortwechsel mit dem Guerillero sagte der Botaniker: »Er sagt, er glaubt, dass nach seinem Tod viele Songs über ihn geschrieben werden.«
»Meiner wird vorher fertig«, prahlte Tommy.
An diesem Punkt waren die Verhandlungen jedoch verebbt. Während die Waldsoldaten an die Feuergrube kamen und wieder gingen und der Nachmittag auf der blättrigen Lichtung zur Neige ging, übernahm der Amerikaner, den El Destruido grinsend als Fred el Californiano vorgestellt hatte, die Rolle des Botanikers als Dolmetscher. Es war, als hätte er in El Destruidos Camp auf sie gewartet und sich darauf verlassen, dass sie von ihm angezogen würden, wie sich Amerikaner eben gegenseitig anzogen. Freds Aufmachung wäre an jedem anderen Ort der Welt ein absolutes Klischee gewesen; hier im Regenwald war es nur peinlich unpassend: Biker-Lederjacke, zerschrammte Pilotenbrille an einem Riemen um den Hals und eine gewichtige Biker-Wampe, über der sich ein Janis-Joplin-T-Shirt spannte. Sein Bart war entweder zehn Tage alt oder mit einem Klappmesser abgesäbelt worden. Die Art, wie er am Rand herumgelungert hatte, bevor er in den Vordergrund getreten war, erinnerte Miriam an die abstrakten Expressionisten in der Cedar Tavern, die erst über ihren Whiskeys herumgegrübelt hatten, bis sie dann plötzlich und ohne jede Vorwarnung aufsprangen und zu prahlen anfingen oder Mädchen vom Bennington abschleppten. Fred erinnerte auch an einen von Roses stummen Mitverschwörern,
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