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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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in einer ganz ähnlichen Lage war wie du: einsam, hungrig, vernachlässigt. Ich bin nach Hargeisa getrampt und kam hiermit einem Zahnstocher und Unterwäsche zum Wechseln an. Ich weiß,wie es sich als Mädchen auf der Straße lebt.»
    «Ich kann wirklich hierbleiben? Du schickst mich nicht weg?»
    Nasra lächelt. «Nur wenn du etwas ganz Schreckliches anstellst.»
    «Das ist Chinas Zimmer, das weißt du ja bereits, dort drüben wohnt Karl Marx und da in der Ecke, das neue Mädchen, Stalin.» Nasra deutet auf drei geschlossene, aus groben Bohlen gezimmerte Türen, die von den drei Seiten des Hofes abgehen. «Du musst ihre Zimmer putzen, aber wenn die Türen geschlossen sind, lass sie in Ruhe.»
    «Sind sie Ausländerinnen? Ihre Namen klingen nicht somalisch.»
    «Nein, das sind ihre Spitznamen, in dieser Straße hat jedes Mädchen einen.»
    Deqo hüpft neben ihr her. «Wie ist deiner?»
    «Alle bis auf mich. Ich mochte meinen eigenen einigermaßen, und mir war’s egal, ob mich jemand findet.» Sie öffnet die Küchentür, in einer Ecke ist ein großer Plastikkorb zu sehen, in den Töpfe, Pfannen und lange Messer geworfen wurden, und in einer anderen eine Matte, eine Decke und ein Kissen.
    «Es ist nicht gerade das Oriental, aber besser als der Graben, was?»Deqo nickt. In einer warmen Küche zu schlafen, den Geruch richtigen Essens in der Nase, genügt ihr völlig.
    «Es kocht zwar jede von uns für sich selbst, aber du musst vielleicht beim Kleinschneiden helfen oder auf die Töpfe aufpassen. Wenn du gerade nicht putzt, bleib in Rufweite, für den Fall, dass wir dich für Besorgungen brauchen.»
    In dieser Nacht, als sich Deqo, zusammengekauert in der Küche, vorstellt, wie einsam und unglücklich es in ihrer Tonne im Graben wäre, hört sie Männerstimmen. Sie springt auf und linst um den Türrahmen herum. Die drei Türen, die zu den Zimmern der Frauen führen, stehen offen, und Licht schwappt in den Hof.
    «Bleib mir bloß vom Leib!», schreit ein junges Mädchen im Korridor. «Igitt, ich will dich nicht in meiner Nähe haben, du Kannibale.»
    Das ist wohl Stalin.
    Ein älterer Mann taucht auf, trägt eine Ledertasche in Karl Marx’ Zimmer. Lächelnd wirft er einen Blick über die Schulter. Ohne anzuklopfen, betritt er das Zimmer, und der glühende Lichtstreifen unter Karl Marx’ Tür erlischt.
    Die ganze Nacht über wird Deqo immer wieder von Türenschlagen, lauten Stimmen und anderen, geheimnisvolleren Geräuschen geweckt. Sie verspürt hier mehr Angst als im Graben, aber auch unstillbare Neugier. Vermutlich hat ihre eigene Geschichte an einem Ort wie diesem ihren Ursprung, es ist an der Zeit, das Geheimnis ihrer Geburt aufzudecken. Ihre Augen sind im Dunkeln weit geöffnet, ihre Ohren lauschen auf das kleinste Geräusch, ihre Träume lösen sich auf wie Nebel. Im Graben Schlaf zu finden, war viel einfacher gewesen, dort war es zu dunkel, um etwas zu sehen, und manchmal so still, dass sie das Blut durch ihre Adern rauschen hören konnte.
    Gerade als Deqo einschläft, bricht der Morgen an, hell und fordernd. Sie widersteht dem Ruf so lang wie möglich, als ihr plötzlich klar wird, wie spät es eigentlich ist. Sie isst das
canjeero
, das jemand auf einem Blechteller neben sie gestellt hat, und wäscht sich unter dem schwachen Strahl des Wasserhahns im Hof Gesicht und Arme, weil sie nicht weiß, ob sie das Bad benutzen darf.
    Während sie ihre Arme trockenwedelt, späht sie durch Stalins geöffnete Tür, sieht, dass das Zimmer leer ist, und schnappt sich aus der Küche einen Lappen, um mit der Arbeit loszulegen. Für sie ist es lediglich eine Ausrede, um diese interessanten Gegenstände anzufassen, sie hat keine Ahnung, wie man die verschiedenen Gefäße, Utensilien und Schmuckstücke reinigt, die im Raum verstreut sind, aber Deqo genießt es, sie in die Hand zu nehmen, dreht sie im Licht hin und her und überlegt, wozu sie wohl gebraucht werden. Schließlich richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf die Matratze auf dem Boden mit den zu Blumenranken verschlungenen Laken, schüttelt sie aus und streicht sie auf dem Bett glatt, wie sie es die Schwestern in der Klinik hat tun sehen, und hebt das gestreifte Kopfkissen hoch. Deqo muss zweimal hingucken,als sie das darunter versteckte Fleischermesser entdeckt. Sie berührt das Messer nicht, beugt sich aber vor, um es genauer zu betrachten: die Klinge besteht aus einem langen, breiten Stück Silber, der schwarze Griff hat Mulden, damit er gut in der Hand liegt, und an der

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