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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Die Marktfrauen sprechen von diesem Ort wie von einer Art Hölle, in der tote Seelen leben, in den Hütten dort kommen Menschen zusammen, die keinerlei Anschein von Tugend mehr aufrechterhalten – Säufer, Diebe, Wüstlinge und schmutzige Frauen.
    Die Straße verengt sich zu einem schmalen Gässchen, Meter für Meter verschwindet der Markt, bis nur noch kärgliche Reste zu sehen sind: ein Stück Stoff, eine zerquetschte Tomate, ein zerrissener Schilling-Schein, den Deqo aufhebt und in ihr Geheimversteck stopft. Die Sonne steht hoch, und der Geruch von Ziegenkötteln und Eselskot dringt ihr stärker in die Nase. Immer spärlicher werden die Bungalows aus Stein, stattdessen mehren sich Lehmziegelbauten und traditionelle
aqals
, die mit Planen und Blech anstelle von Holz und Tierhäuten modernisiert worden sind. In dieser Gegend einen blauen Bungalow zu finden, ist einfach. Überall sieht sie Kinder mit nacktem Hintern und verwuscheltem Haar, Fünfjährige tragen Zweijährige auf den Hüften, starren ernst und feindselig aus Eingängen.
«Dhillo!
Hure!», brüllt ihr ein kleiner Junge, dessen rotes Hemd ihm bis zu den Knien reicht, ins Gesicht.
    Sie hebt einen Stein auf, wirft ihn in hohem Bogen, verfehlt den Jungen nur knapp; aufkreischend verzieht er sich in seine Hütte.
    Ihre Sandalen sind voller Steinchen; Deqo bleibt stehen und schüttelt sie aus, dabei fällt ihr neben dem Weg ein Abzugsgraben mit dreckigem Wasser auf, im Morast stecken kleine schartige Knochenstücke, Plastikfetzen und verbogener Draht. Dieser Teil der Stadt scheint sich selbst überlassen, auf dass er versinke, in sich zusammenfalle und verrotte; sie fragt sich, warum jemand ausgerechnet hier wohnt, wenn er doch ganz Hargeisa zur Auswahl hat.
    Schließlich entdeckt sie einen kleinen blauen Bungalow aus Gasbetonsteinenund klopft an die Metalltür, auf die orangefarbene und grüne Rauten gemalt sind. Knallend dehnt sich das Blechdach in der Sonne, und um das Drahtgeflecht vor den Fenstern surren Fliegen. Neben dem blauen Bungalow steht ein Jakarandabaum, zwischen dessen Zweigen eine Ziege mit gestrecktem Hals verzückt an frischen Schösslingen knabbert.
    Deqo wartet eine ganze Weile, ehe sie nochmals klopft; sie sieht nach, ob sich irgendwo um das Haus herum etwas rührt.
    «Wer ist da?», schreit es von drinnen.
    «Ich hab was abzugeben», antwortet Deqo nervös.
    Drei Riegel werden zurückgeschoben, und im Dämmerlicht des Korridors zeigt sich eine Gestalt.
    Ihr Haar erkennt Deqo als Erstes wieder, das breite Band aus Gelb an den Lockenspitzen.
    «Gib mir das Päckchen», sagt Nasra und gähnt.
    «Das darf ich nicht. Ich muss es China geben.» Deqo schaut beim Sprechen zu Boden.
    Stöhnend wirft Nasra den Kopf in den Nacken; offensichtlich erkennt sie Deqo nicht wieder.
    «Dann bring’s ihr.» Sie zieht Deqo in den Bungalow und legt alle drei Riegel wieder vor.
    Nasra führt sie in den Hof, und ihr hellrosa
diric
leuchtet im Sonnenlicht auf, umschließt ihren Körper wie eine Blütenknospe. Trotz der Feuchtigkeit, die schwarz an den Innenwänden hochklettert, riecht der Bungalow unglaublich süß, und Deqo atmet tief ein.
    Nasra klopft an die rohe Holztür auf der gegenüberliegenden Seite des weiß getünchten Hofes. «
Isbiirtoole
, Säuferin, dein Nektar ist da!», ruft sie.
    China macht die Tür auf, und der Hof wird von fremdländischer Musik erfüllt. «Gib her.» Sie schnappt sich das Päckchen, ehe Deqo es ihr überreichen kann. «Dich kenn ich doch … Ach ja, unsere kleine Knastschwester. Wusste gar nicht, dass du in diesem Gewerbe tätig bist.»
    «In welchem Gewerbe?»
    «Saufhandel, natürlich.»
    «Bin ich nicht, ich habe einen Stand auf dem Markt.»
    «Ausreden sind hier nicht nötig, in der Pimperstraße kann man ganz man selbst sein.»
    «Wo wohnt denn deine Familie?», fragt Nasra.
    «Ich habe keine Familie.»
    «Keine Großmutter, keine Tante, keine Cousine?»
    Deqo schüttelt den Kopf. «Keine Onkel, keine Stiefgeschwister, keine Halbonkel. Ich sorge selbst für mich.» Mit jedem Mal fühlt sich dieser Satz wahrer an.
    «Wo schläfst du dann?»
    «Drüben im Graben.»
    Missbilligend schnalzen beide Frauen mit der Zunge.
    «Oho, dann hast du ein mutigeres Herz als ich, schläfst in dieser gespenstischen Ödnis», sagt China, wickelt die Flasche aus dem Zeitungspapier und schraubt den Deckel auf.
    Das Äthanol vertreibt alle anderen Gerüche aus Deqos Nase.
    «Es ist gar nicht gespenstisch, und man lässt mich dort in

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