Der Gast des Kalifen
nur halb, doch alle aus dem gleichen wunderbaren milchig weißen Stein gehauen. Auch wenn ich nichts von solchen Dingen verstand, wirkten die Statuen auf mich doch recht natürlich, was ich als Zeichen für das Können ihres Schöpfers betrachtete. Ein Haus, das mit so etwas geschmückt war, nahm ich als Hinweis auf den Geschmack des Eigentümers . und als Hinweis darauf, dass dieser Mann den Reichtum eines Königs besitzen musste.
»Wartet da drin«, befahl mir Jordanus' Tochter und deutete auf eine hinter mir liegende Kammer. »Ich werde nachsehen, ob mein Vater sich gut genug fühlt, Gäste zu empfangen.«
Sie eilte davon, und ich ging in den mir zugewiesenen Raum: eine riesige Kammer, sicherlich dreimal so groß wie Murdos große Halle daheim und voll gestopft mit allen Arten von Tischen, Stühlen, Teppichen, Kissen und anderen kostbaren Dingen. Es gab hier reich verzierte Krüge, Schalen, Schüssel und Teller, die irgendjemand einfach so aufeinander gestapelt und irgendwo abgestellt hatte, und an den Wänden hingen oder standen mehrere Zierwaffen, hauptsächlich Lanzen und Speere.
Zunächst hatte ich geglaubt, der Boden sei mit Fliesen ausgelegt, doch bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es sich um kleine Platten aus blank poliertem Holz handelte, welches unterschiedlich gefärbt und in einem komplizierten Muster gelegt worden war. Auf zwei der Wände waren Bilder von Reitern gemalt, die in Begleitung zweier riesiger Hunde große graue Tiere mit mächtigen Hauern jag-
ten. Die Männer auf den Bildern trugen Speere und kleine runde Schilde, während ihnen ihre Kleidung lose am Leib hinunterhing; sie hatte die grelle Farbe, wie sie die Herrscher des Ostens noch heute bevorzugen. Die weitläufige Decke war blau wie der Mittagshimmel.
Wie ich gesagt habe, war der größte Teil des Raums von einer Ansammlung der unterschiedlichsten Gegenstände belegt. Vieles davon stapelte sich auf sieben riesigen Banketttischen, von denen jeder groß genug war, um zwanzig Gästen Platz zu bieten, und daneben gab es noch ein Dutzend kleinerer Tische; einige davon waren mit Einlegearbeiten verziert, die von großem handwerklichen Können zeugten. Von den Stühlen wiederum waren einige so groß wie ein Königsthron; ich sah sogar ein oder zwei, die selbst dem Jarl von Orkneyjar zur Ehre gereicht hätten.
Ich war so sehr in die Untersuchung meiner Umgebung vertieft, dass ich nicht bemerkte, dass mich jemand beobachtete.
»Nehmt, was Ihr wollt«, sagte eine trockene, heisere Stimme in formellem Latein. »Nehmt, so viel Ihr tragen könnt; nur lasst uns in Frieden.«
Ich drehte mich um und sah einen hageren, kahlköpfigen Mann in der Tür stehen. Er war groß und hatte hängende Schultern; seine Arme hingen schlaff herab. Sein Gesicht war kantig, seine Nase die eines Falken, und er besaß ein schmales Kinn, sodass er mich insgesamt an einen Fischadler erinnerte - an einen äußerst bekümmerten allerdings, dank seiner dunklen traurigen Augen und den ernst nach unten gezogenen Mundwinkeln.
Zunächst glaubte ich, seine traurige Erscheinung rühre von der Tatsache her, dass er glaubte, einen Dieb in seinem Haus auf frischer Tat ertappt zu haben - ein Eindruck, den ich mich beeilte auszuräumen. »Pax vobiscum«, sagte ich. »Habt keine Furcht. Ich bin kein Dieb. Eure Tochter war so freundlich, mich hereinzulassen, und ich warte hier lediglich auf ihre Rückkehr.«
Der Mann schnaufte vernehmlich, als wolle er damit andeuten, dass eine derart offensichtliche Lüge weit unter seiner Würde sei, und fuhr fort, mich mit seinen traurigen Augen anzustarren. Er war noch weit größer, als er erschien, denn er stand leicht vornüber gebeugt.
»In Wahrheit«, sagte ich, um ihn meine Worte glauben zu machen, »hat man mir sogar befohlen, hier zu warten.« Der Mann antwortete nicht, sondern starrte mich nur weiter an. »Seid Ihr Jordanus?«, wagte ich mich zu erkundigen.
»Der war ich«, antwortete der Mann in feierlichem Ernst. Er straffte die Schultern und hob den Kopf. »Jordanus Hippolytus ist nicht mehr.« Wie ich bemerkte, war die Haut an seinem Hals so faltig, das sie in Lappen herunterhing, ebenso wie die auf seinen Armen. »Und wer mögt Ihr wohl sein?«
Ich nannte ihm meinen Namen, erzählte ihm von meinen Freunden und wie wir von Antiochia hierher gekommen waren und dass der dortige Komtur der Templer uns gesagt habe, wir sollten ihn, Jordanus, aufsuchen und ihn um Hilfe bitten. Ich hatte gehofft, diese Erklärung würde
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