Der Gast des Kalifen
ein Ärger? Und warum werden deswegen Hinrichtungen ausgesetzt?«
»Ich weiß nicht, was geschehen ist«, erklärte Wazim. »Aber wenn Ihr wünscht, werde ich es herausfinden. Soll ich?«
Sofort erinnerte ich mich daran, dass der Kalif mich gefragt hatte, was ich über die politischen Angelegenheiten von Kairo wisse. Da nun offensichtlich mein körperliches Wohlbefinden von diesen Angelegenheiten abhing, machte es Sinn, so viel darüber herauszufinden, wie ich nur konnte. »Ja«, antwortete ich Wazim, »bring so viel wie möglich in Erfahrung.«
»Mit Vergnügen, Da'ounk.«
Grinsend verließ Wazim meine Zelle. Ich hörte ihn davoneilen, und nach einem von Herzen kommenden Dankgebet ob der Aufschiebung meiner Hinrichtung kehrte ich zum Tisch zurück.
Nachdem ich einige Augenblicke über die unverhoffte Schicksalswende nachgedacht hatte, griff ich wieder nach meiner Feder und machte mich an die Arbeit.
Ich verließ das Haus von Jordanus Hippolytus und suchte Roupen und Padraig im Hofauf. Sie saßen neben dem kleinen Brunnen und sprachen leise miteinander. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, sagte Padraig: »Er hat sich geweigert, dich zu empfangen.«
»Nein, gesehen habe ich ihn; er hat sich geweigert, uns zu helfen.« Rasch erzählte ich ihnen von der Begegnung mit Jordanus Hip-polytus. »Er hat mir zu verstehen gegeben, dass ihn unsere Nöte nicht kümmern.«
»Dann lasst uns den Staub von unseren Füßen schütteln«, sagte Roupen. »Wir haben schon genug Zeit mit dieser Angelegenheit verschwendet.« Er stand auf. »Wir hätten gar nicht erst hierher kommen sollen. Hätten wir nicht auf diesen Templer gehört, wären wir jetzt schon auf halbem Weg nach Anavarza.«
Ich war gezwungen, ihm zuzustimmen, und wir beschlossen, so rasch wie möglich zum Hafen zurückzukehren und uns ein Boot zu besorgen. Allerdings hielt ich es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass uns das so einfach gelingen würde, denn von Bezus großzügigem Geschenk war nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Dennoch machten wir uns auf den Weg aus dem Hof, doch als ich gerade unter der niedrigen Tür hindurchging, hörte ich jemand nach mir rufen. Ich drehte mich um und sah Jordanus' Tochter, die uns hinterhereilte.
Ich bat die anderen, einen Augenblick zu warten, und ging ihr entgegen.
»Wo geht Ihr hin?«, fragte sie. »Ich dachte, Ihr wolltet meinen Vater sehen.«
»Das habe ich bereits«, erwiderte ich. »Er wollte uns nicht helfen. Er sagte, unsere Nöte wären ihm gleich.«
»Das sagt er zu jedem«, seufzte sie. »Ich hätte Euch warnen sollen.« Ihre Art war nicht mehr so schroff wie zuvor, und ich fragte mich warum. »Manchmal ist er schwer zu verstehen.«
»Ich habe ihn sogar sehr gut verstanden. Es tut mir Leid, dass wir Euch Umstände bereitet haben.« Ich verbeugte mich. »Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt; meine Freunde warten.«
»Geht bitte nicht.«
Die Verzweiflung in ihrer Stimme ließ mich innehalten. »Gute Frau?«
»Speist mit uns zu Abend, bitte. Ich werde mit meinem Vater reden. Das zweite Mal wird er Euch in besserer Stimmung empfangen.«
Nun war es an mir, die Stirn zu runzeln. »Wir haben den ganzen Tag damit verbracht, diesen Ort zu finden, und das nur, um gesagt zu bekommen, wir sollen wieder verschwinden - zuerst von Euch und dann von Eurem Vater. Und jetzt, wo wir genau das tun wollen, bittet Ihr uns zu bleiben?«
Sie lächelte plötzlich - ein herrliches, einnehmendes Aufblitzen weißer Zähne in ihrem gelbbraunen Gesicht. Da fiel mir zum ersten Mal auf, dass sie östlicher Abstammung war, denn ihre Augen und ihr Haar waren schwarz, und ihre dunkle Haut glänzte wie Honig gemischt mit Sahne.
»Wir haben Dringendes zu erledigen«, erklärte ich. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden, und das nur, um die Launen eines alten Mannes über uns ergehen zu lassen.«
»Bitte«, sagte Jordanus' Tochter und legte mir die Hand auf den Arm. »Ihr müsst ohnehin irgendwo etwas essen, und es ist schon lange her, seitdem wir zum letzten Mal Gäste unter unserem Dach beherbergt haben. Esst mit uns zu Abend, und lasst uns sehen, was dabei herauskommt.«
Sie hatte Recht: Der Tag neigte sich seinem Ende zu, und wir würden uns so rasch wie möglich einen Platz für die Nacht suchen müssen. Außerdem dachte ich, nun, da wir schon so weit gekommen waren, konnten wir die Sache auch bis zum Ende durchstehen. »Also
gut«, erwiderte ich. »Ich werde mit meinen Freunden sprechen.«
»Schön«, sagte sie,
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