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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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»Ich danke Euch, mein Herr und Kalif.«
    »Ich nehme an, du liebst deine Tochter«, sagte er steif.
    »Natürlich, Herr. Sie ist das Juwel meines Herzens, und ich liebe sie über alle Maßen.«
    »Eltern sollen ihre Kinder lieben«, erklärte al-Hafiz in einem Tonfall, als belehre er ein stures Kind. »So steht es im Heiligen Koran geschrieben.«
    »Und in der Bibel«, erwiderte ich.
    »Du hast keine Angst, zu sterben«, bemerkte er.
    »Nein, Herr.«
    »Sind dein Herz und deine Seele so rein, dass du nicht allein schon bei dem Gedanken zitterst, vor den Thron des höchsten Richters treten zu müssen?«
    »Warum sollte ich zittern, Herr, wo ich doch weiß, dass ich vor diesem Thron den gerechtesten aller Fürsprecher haben werde?«
    Das schien den Kalifen sehr zu interessieren. »Dieser Fürsprecher . wer ist das?«
    »Es ist Jesus, den man den Messias nennt.«
    »Ich kenne diesen Messias«, erwiderte al-Hafiz und winkte ungeduldig ab. »Die Gläubigen betrachten ihn als großen Propheten.« Er runzelte die Stirn, als wolle er mich herausfordern, ihm zu widersprechen; dann fragte er: »Warum sollte dieser Prophet sich für
    dich einsetzen?«
    »Er setzt sich für jeden ein, der aufihn vertraut«, antwortete ich.
    Kalifal-Hafiz hob das Kinn und deutete somit an, dass er mit mir fertig sei. »Dann werden wir sehen, ob dieser Fürsprecher das Ohr Allahs hat«, sagte er. »Zur sechsten Stunde wird dein Kopf unter der Axt fallen, und du wirst deinem Richter gegenübertreten. Möge die Beredtheit deines Fürsprechers dir die Tore des Paradieses öffnen.«
    Auch wenn ich gewusst hatte, dass dies kommen würde, so bekam ich in diesem Augenblick doch weiche Knie. Dennoch fand ich irgendwie die Kraft, mich zu verneigen, als Zeichen, dass ich das Urteil anerkannte.
    »Macht dir das wirklich gar nichts aus?«, fragte al-Hafiz offensichtlich verärgert über meine gelassene Art.
    »Mein Herr und Kalif«, erwiderte ich und versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen, »ich liebe mein Leben genauso sehr wie jeder andere Mensch, doch es liegt in Euren Händen. Ich bin Euer Diener. Richtet über mich, wie Ihr wollt.«
    »Du hoffst, ich würde ob deines unbedeutenden Glaubens Mitleid mit dir haben und dich verschonen«, sagte er, und seine Stimme nahm einen trotzigen Tonfall an, als erwarte er, ich würde um mein Leben flehen.
    Ich hatte jedoch schon mit so etwas gerechnet und wusste, was ich sagen wollte. »Mit allem Respekt, Herr, ich hoffe auf den allmächtigen Gott, unseren Erlöser, denn nur er besitzt die Macht über Leben und Tod - in dieser Welt und in der nächsten.«
    Der Kalifstarrte mich an, und ich glaubte, Zweifel in seinem nachdenklichen Gesicht zu sehen. Plötzlich - als wäre ihm der Gedanke eben erst gekommen - fragte er: »Was weißt du über die politischen Angelegenheiten von Kairo?«
    Die Frage überraschte mich, und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. »Nun . ich weiß nichts darüber«, erwiderte ich, nachdem der Kalifdie Frage noch einmal wiederholt hatte. »Seit ich hierher gekommen bin, bin ich Euer Gefangener im Palast. Ich sehe niemanden, und niemand sieht mich.«
    »Aha!«, rief er triumphierend, und ich erkannte, dass die Frage eine Prüfung gewesen war, doch zu welchem Zweck, das konnte ich noch nicht einmal erahnen. Der Kalif winkte den Wachen und befahl ihnen, mich wieder in meine Zelle zu bringen.
    Ich wurde aus seiner Gegenwart entfernt und wieder in meine Zelle geführt, wo ich die letzten Augenblicke meines Lebens mit Beten verbrachte, um mich auf die harte Prüfung vorzubereiten, die mir bevorstand. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war - ich glaubte, schon eine Ewigkeit auf den Knien zu liegen -, als wieder Schritte vor meiner Tür erklangen. Ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und erhob mich, um den Wachen aufrecht gegenüberzutreten, die mich zum Richtblock führen würden.
    Doch es war Wazim, der da erschien, und er war allein.
    »Da'ounk«, sagte er und strahlte über das ganze Gesicht, »gute Neuigkeiten! Die Hinrichtung wurde aufgeschoben.«
    »Aufgeschoben?« Erleichterung kam über mich. »Warum?«
    »Den Grund hat man mir nicht genannt«, antwortete Wazim. »Aber ich weiß, dass es Ärger in der Stadt gibt und dass der Kalif alle Wachen hinausgeschickt hat, um sich darum zu kümmern. Er hat befohlen, keine Gefangenen hinzurichten, bis der Frieden wiederhergestellt ist. Ist das nicht wunderbar?«
    Ich stimmte ihm zu und fragte: »Was ist das für

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