Der Gast des Kalifen
Vorbereitungen müssen getroffen werden, und wir werden noch heute Nacht damit beginnen.«
Es war bereits spät, und ich war erschöpft; der lange Marsch durch die Hügel forderte nun seinen Tribut. »Noch heute Nacht?«
»Verzeiht mir. Ihr seid sicher vollkommen erschöpft. Überlasst alles mir. Ruht Euch aus, und so Gott will, wird am Morgen alles für Euren Aufbruch bereit sein.«
Er läutete die kleine Glocke und befahl dem kurz darauf erscheinenden Gregior, uns in die Gästezimmer zu führen. Wir wünschten unseren Gastgebern eine gute Nacht und gingen so zuversichtlich und gut gelaunt zu Bett wie schon seit vielen Tagen nicht mehr. Pa-draig blieb noch ein wenig auf, um seine Gebete zu sprechen, doch ich legte mich hin und versank sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Kurz darauf wurde ich jedoch von flüsternden Stimmen im Hof geweckt. Ich hörte ihnen eine Weile zu, aber ich war zu schläfrig, als dass ich irgendetwas hätte verstehen können, und so schlief ich schon bald wieder ein.
Das Nächste, was ich bemerkte, war eine Hand, die mich wachrüttelte. Erschrocken setzte ich mich auf.
»Ruhig«, sagte Sydoni, die neben mir hockte. »Alles in Ordnung, doch es ist an der Zeit, aufzubrechen.« Sie stand auf. »Gregior hat Euch eine Schüssel Wasser gebracht. Ich werde Euch jetzt allein lassen, damit Ihr Euch waschen und ankleiden könnt. Kommt zu uns ins Vestibulum, sobald Ihr fertig seid.«
Sie ging hinaus, und während ich noch versuchte, meine Gedanken zu ordnen, hörte ich, wie Sydoni im Nachbarraum den jungen Fürsten weckte und ihm den Grund dafür erklärte. Ich stolperte zu der Schüssel mit dampfendem, warmem Wasser, wusch mich und pries unseren allmächtigen Herrn für das Geschenk der Seife. Dann trocknete ich mich rasch mit dem Leinentuch ab, das man mir gegeben hatte, zog mich an und schlurfte durch die an ein Kloster erinnernden Gänge der Villa ins Vestibulum. Der Himmel war dunkel und der Tagesanbruch meiner Schätzung nach noch weit entfernt.
Gähnend gesellte ich mich zu Jordanus, Sydoni und den anderen, die sich bereits an der Tür versammelt hatten. Gregior schlender-te hierhin und dorthin, entzündete träge die überall herumstehen-
den Kerzen und warfseinem Herrn finstere Blicke zu, der sich bei meiner Ankunft sofort in Bewegung setzte und uns winkte, ihm zu folgen. Er eilte in einen angrenzenden Raum, und als wir ihn schließlich einholten, durchwühlte er bereits einen Stapel Karten.
»Hier! Seht ihr? Das da.«, er deutete auf einen schwarzen Fleck in der Mitte der Karte, die er sich herausgesucht hatte, »das ist An-tiochia. Der Hafen von Sankt Simeon liegt hier, und.«, sein Finger wanderte die Küste entlang zu einem braunen Fleck unmittelbar unterhalb einer Kette zerklüfteter Berge, ».das hier ist Anavarza.«
Roupen runzelte die Stirn, beugte sich vor und betrachtete den einfachen Fleck, der seine Heimat darstellte.
»Seht her«, fuhr Jordanus fort und zog mit dem Finger eine Linie von Antiochia nach Anavarza. »Bohemund muss über Land ziehen, weil er nicht genug Schiffe besitzt, um so viele Männer, Pferde und Ausrüstung zu transportieren.«
»Als wir ihn verließen, lagen im Hafen von Sankt Simeon noch immer zwei Rundschiffe«, erklärte Padraig.
»Das ist egal«, versicherte ihm Jordanus überzeugt. Mit einem Mal wirkte er weit jünger als noch vor wenigen Stunden beim Abendessen. Er war ernst und entschlossen, und ich erkannte, dass ich nun eine Seite von dem Mann kennen lernte, der er einst gewesen war. »Zwei, sagt Ihr? Zwei Schiffe könnten noch nicht einmal das Pferdefutter transportieren. Insgesamt brauchte er mindestens zwanzig. Also«, fuhr er fort, »muss Bohemunds Heer zu Fuß gehen. Aber an der Küste entlang, durch Marionis, geht es weitaus schneller. Hier.« Er legte seinen langen Finger auf einen kleinen Punkt an der Küste nördlich von Antiochia. »Von dort aus kann man Mamistra über den Fluss erreichen. Seht Ihr? Dort.« Er deutete auf eine gewellte schwarze Linie, die zu einem weiteren braunen Fleck nördlich und ein wenig westlich des Hafens führte. »Von Mamistra aus muss man den Rest zu Pferd zurücklegen. Mit etwas Glück und Gottes Segen liegt Anavarza nur zehn Tagesritte vom Fluss entfernt. Selbst wenn Fürst Bohemund noch am selben Tag, als Ihr geflohen seid, sein Heer zusammengerufen hat und losmarschiert ist, werdet Ihr die
Stadt noch immer vier bis fünf Tage vor ihm erreichen.«
Er hob den Blick, um sich zu vergewissern, dass
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