Der Gast des Kalifen
deutlich umgänglicher. Im Laufe des Essens wurde der mürrische junge Herr sogar recht angenehm, und auch die Laune des säuerlichen alten Man-nes besserte sich spürbar, bis man ihn beinahe als fröhlich bezeichnen konnte.
»Füllt die Becher!«, rief er plötzlich und hielt den seinen in die Höhe. »Ich möchte auf das Wohl meiner neuen Freunde trinken!« Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, und so griff ich nach dem Krug und schenkte jedem von uns von dem guten Rotwein ein. Wieder hob Jordanus den Becher und sagte: »Ich trinke aufdie Freundschaft, auf die Gesundheit und den Frieden. Gott segne alle seine Kinder.« Wir bejubelten diesen Trinkspruch, woraufhin unser Gastgeber sagte: »Möge der Herr des Festes uns auf ewig mit gutem Essen, gutem Wein und lieben Freunden an der Tafel segnen ... auf immer und ewig! Amen!«
Roupen hatte nichts gegen das Gebet, doch konnte er nicht umhin, etwas dazu zu bemerken. »Der Herr des Festes?«, fragte er, nachdem alle getrunken hatten. »Ich habe gedacht, dass dieser Titel ausschließlich unserem Herrn Jesus Christus gebührt.«
Jordanus drehte den Kopf und blickte den jungen Mann fragend an. »Ja?«
»Das sind seltsame Worte aus dem Mund eines Kopten«, erklärte Roupen. Der Wein war ihm wohl zu Kopf gestiegen.
Der alte Mann versteifte sich. Das Lächeln gefror aufseinem Gesicht, und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Nun bemerkte Roupen, dass er seinen Gastgeber beleidigt hatte, und Hilfe suchend blickte er zu mir; doch ich schwieg. Sollte er doch die Folgen seiner Unduldsamkeit allein tragen. »Ich habe doch gar nichts gesagt«, versuchte er, sich zu rechtfertigen. »Warum schaut ihr mich auf einmal alle so an?«
»Haltet Ihr die Kopten der Erlösung etwa für unwürdig?«, fragte Jordanus. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich zu beherrschen.
Roupen errötete und hob abwehrend die Hand. »Ich wollte nicht unhöf...«
»Glaubt Ihr, weil ich ein Kopte bin, sei ich weniger Christ als Ihr?«, forderte ihn Jordanus entrüstet heraus.
Ich wollte dem jungen Mann zu Hilfe eilen, doch Padraig hielt mich davon ab. »Lass ihn ruhig ein wenig zappeln«, flüsterte der Priester. »Das wird ihm eine Lehre sein.«
Mit unverhohlenem Zorn starrte Jordanus den unverschämten jungen Armenier an. »Einst«, sagte er mit kalter Stimme, »hätte ich solch eine Beleidigung unter meinem eigenen Dach nicht einfach so hingenommen. Aber«, schicksalsergeben zuckte er mit den knochigen Schultern, »ich bin nicht mehr der Mann, der ich einmal war.« Er richtete einen langen Finger auf Roupen. »Ihr könnt von Glück reden, dass ich das nicht mehr bin.«
»Vater, bitte.«, sagte Sydoni und griff über den Tisch nach seinem Ärmel.
Der alte Mann hob die Hände. »Mehr werde ich nicht sagen.« Er stand aufund stieß dabei seinen leeren Becher um. »Ihr müsst mich entschuldigen. Ich bin müde und werde zu Bett gehen.«
Voller Schuldgefühle stammelte Roupen verzweifelt: »Bitte. Herr. Ich. Ich bin derjenige, der gehen sollte, und das werde ich auch tun.« Er sprang auf. »Aber bevor ich gehe, will ich Euch noch um Verzeihung bitten, weil ich Euch beleidigt habe. Bitte, nehmt meine tiefempfundene Entschuldigung an.«
Er sprach so reumütig, dass Jordanus widerwillig dem stummen Flehen seiner Tochter nachgab. »Also gut«, sagte der alte Kopte. »Setzt Euch, junger Mann. Niemandem ist ein Leid geschehen.« Er seufzte und zwang sich zu einem traurigen Lächeln. »Kommt. Setzt Euch«, bat er den jungen Herrn erneut. »Lasst uns dieses unglückliche Missverständnis einfach vergessen.«
Zögernd ließ sich Roupen wieder nieder. Jordanus betrachtete ihn einen Augenblick lang. »Seit nunmehr dreißig Generationen«, sagte der alte Mann und hob den Finger, »ist das Haus des Hippoly-tus ein christliches Haus. Lange bevor das Lob des Herrn in Konstantinopel, in Rom oder in Athen gesungen wurde, waren wir schon Christen.«
»Das ist eine wahrhaft edle Abstammung«, bemerkte Padraig. »Wenn jede Familie sich einer solch langen Gefolgschaft rühmen könnte, würde diese Welt nicht so sehr unter dem Gewicht der Gottlosigkeit und der Falschheit leiden.«
»In der Tat, Herr«, bestätigte Jordanus stolz. »Als die Anhänger des Weges aus dem Hohen Tempel zu Jerusalem geworfen wurden, waren meine Vorfahren unter ihnen. Am Tag, da man den Heiligen Stephanus dem Tode überantwortet hat, haben meine Vorfahren seinen geschundenen Leib ins Grab gelegt. Als die Verfolgungen begannen, hat
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