Der Gast des Kalifen
nahm das Ferkel von einem Arm in den anderen und antwortete schließlich, dass er vielleicht schon mal von solch einem Mann gehört habe. Als Jordanus ihm einen Silberdinar für seine Mühen gab, verzog der Bauer seinen zahnlosen Mund zu einem Grinsen und erklärte, dass er sich nun erinnere und dass der Mann, den wir suchten, Nurmal heiße.
»Ja! Das ist genau der Mann, den ich zu finden hoffte. Wo wohnt er?«
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete der Bauer. »Falls ich jemals gewusst haben sollte, wo er wohnt, dann habe ich es jetzt vergessen.«
Jordanus nahm zwei weitere Dinar aus seiner Börse und legte sie dem Bauern in die raue Hand. »Hilft das deinem Gedächtnis vielleicht ein wenig?«
»Nein, Herr«, erwiderte der Bauer und blickte traurig auf die Silbermünzen. »Ich weiß noch immer nicht, wo er wohnt; doch ich weiß, wo Ihr ihn finden könnt.«
»Dann sag's mir«, forderte Jordanus, »und du kannst das Silber behalten.«
»Dort drüben gibt es eine Mühle.«, sagte der Bauer und deutete auf eine Anhöhe hinter der Stadt, die von einer Windmühle gekrönt wurde. »An Markttagen kauft er dort Korn und Futter«, er drehte sich wieder zu uns um, »und heute ist Markt.«
Wir dankten dem zahnlosen Gesellen und entließen ihn, damit er seinen neu gewonnenen Reichtum genießen konnte. Die Mühle war weiter entfernt, als es zunächst den Anschein gehabt hatte, und es dauerte eine Weile, bis wir den langen, felsigen Hang hinaufgestiegen waren. Erst als wir den Gipfel erreichten, bemerkten wir, dass von der anderen Seite eine Straße hinaufführte. Wir entdeckten einen Ziegenpfad, dem wir folgten, um uns der Mühle von hinten zu nähern. Der Müller war ein bärbeißiger Mann, der nur wenig Worte machte, doch Jordanus' Silber löste ihm die Zunge, und wir erfuhren, dass Nurmal heute noch nicht hier gewesen sei, aber sicherlich im Laufe des Tages noch vorbeikommen würde.
»Ich werde hier aufNurmal warten«, erbot sich Jordanus. »Ihr könnt zurückgehen und den anderen sagen, dass wir unseren Mann gefunden haben. Nurmal und ich werden zu Euch an den Fluss hinunterkommen.«
Es gefiel mir nicht, den alten Händler hier oben allein zu lassen, doch als ich den Hof verließ, brachte ihm die Müllersfrau bereits eine Schüssel Milch. Also ließ ich ihn im Schatten der Mühle zurück, wo er an seiner kalten Milch zu nippen begann; so sorglos hatte ich ihn noch nie gesehen.
Padraig und die Bootsleute hatten unsere Vorräte entladen und unter einen Baum gebracht. Bei meiner Rückkehr hatten die Boote sogar bereits wieder abgelegt, und Padraig hatte ein kleines Feuer am Ufer entfacht und kochte uns etwas zu essen. Sydoni schlief im Schatten des Baums, und Roupen saß nicht weit entfernt auf
einem Felsen; er hatte die Knie unters Kinn gezogen und blickte verzweifelt auf das wirbelnde braune Wasser hinaus.
»Alles in Ordnung«, sagte ich und setzte mich neben ihn. »Wir kommen gut voran. Du wirst sehen: Wir werden Anavarza lange vor Bohemund und seinem Heer erreichen.«
»Das ist egal«, murmelte er, ohne den Blick vom Fluss zu wenden. »In ganz Armenien gibt es nicht genug Soldaten, um die Kreuzfahrer zurückzuschlagen. Sie werden uns wie Vieh abschlachten.«
»Roupen«, sagte ich nach kurzem Schweigen, »wir werden tun, was wir können. Was den Rest betrifft, vertrau auf Gott.« Um ihn zu trösten, legte ich ihm die Hand auf die Schulter. »Hoffe und bete.«
»Du hoffst«, knurrte er und stieß meine Hand beiseite, »und du betest.«
Ich überließ ihn seiner Verzweiflung und ging zu Padraig, um ihm beim Kochen zu helfen. Wir aßen und dösten anschließend ein wenig, während der Tag immer heißer wurde und die Luft vor Hitze waberte. Schließlich machte sich die Sonne jedoch an den Abstieg hinter die staubigen, kahlen Hügel jenseits von Mamistra. Padraig und ich sprachen gerade darüber, ob wir zur Mühle zurückgehen und nach Jordanus suchen sollten, als wir das Wiehern eines Pferdes hörten, und tatsächlich kam da der alte Händler den Pfad zur Stadt hinunter. Er ritt auf einem strahlend weißen Hengst, neben sich einen Mann auf einem Rappen. Ihnen folgten noch zwei weitere Reiter, die jeweils noch ein Pferd am Zügel führten.
Am Ufer hielten sie an, und während die beiden Männer die Pferde ans Wasser führten, stellte uns Jordanus Nurmal vor, einen freundlichen, graziösen alten Mann mit weißem Haar und einer Haut so braun, dass sie an Leder erinnerte. Er trug das seidene Gewand eines arabischen
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